Teilamputation des Schwanzes
M. Metzner, F. Reichmann

Das Wichtigste in Kürze
Die Teilamputation eines Schwanzabschnitts erfolgt, damit distal gelegene Infektionen nicht aufsteigen können. Unterschieden wird zwischen einer unblutigen Amputation des bindegewebigen Schwanzendes mittels elastischem Gummiring (am Rind in Deutschland nur zur Prophylaxe und nur nach behördlicher Ausnahmegenehmigung erlaubt) und einer medizinisch indizierten blutigen Amputation. Bei der blutigen Amputation erfolgt das Absetzen zwischen zwei Wirbelkörpern im Diskus intervertebralis.

1. Pathogenese und Indikation

Aszendierende entzündliche Veränderungen im Bereich des Schwanzes können nach Trauma oder in Folge einer Schwanzspitzenentzündung (vor allem bei Mastbullen, weitere Informationen finden sich im Rinderskript: Schwanzspitzennekrose / Schwanzspitzenentzündung) entstehen. Ziel der Amputation ist die Verhinderung des weiteren Aufstiegs einer eitrig nekrotisierenden und aszendierenden Entzündung, die in schweren Fällen die Cauda equina oder gar das Rückenmark erreichen kann.

Beim Rind ist der Schwanz nicht in seiner gesamten Länge durch knöcherne Wirbelkörper gestützt, das distale wirbelfreie Ende besteht aus Haut und Bindegewebe (mit Nerven und Blutgefäßen), es ist beim Kalb ca. 5 cm, bei 1,5 - 2 Jahre alten Rindern 11 - 18 cm lang. Ein prophylaktisches Kupieren des fibrösen Schwanzendes mittels elastischem Gummiring ist in Deutschland bei Rindern bis zu einem Alter von 3 Monaten zurzeit (2016) nur nach behördlicher Ausnahmegenehmigung erlaubt. Hierzu werden vor dem Aufsetzen des Ringes die Haare geschoren und die Haut desinfiziert. Die Demarkation des distalen Schwanzstücks erfolgt nach 3 - 4 Wochen.

Die nachfolgend beschriebene blutige Teilamputation des Schwanzes im knochengestützten Bereich muss medizinisch indiziert sein.

2. Diagnostik

Die Ausdehnung der phlegmonösen Entzündung kann durch Adspektion und Palpation festgestellt werden.

3. OP-Vorbereitung

Scheren der Haare, Waschen und Desinfektion.

4. Anästhesie

Epiduralanästhesie (kleine Sakralanästhesie) und Verabreichung eines Antiinfektivums und eines Analgetikums.

5. OP-Durchführung

5.1 Beschreibung der OP-Durchführung

Zur Reduktion von Blutungen wird an der Schwanzwurzel zirkulär ein Gummiband angebracht. Es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass im gesunden Bereich amputiert wird. Bei weiblichen Tieren sollte (wo möglich) mindestens die Vulva vollständig abgedeckt bleiben. Die Amputation erfolgt im Diskus zwischen zwei Wirbelkörpern. Die Lokalisation kann durch Palpation aufgefunden werden: Da die Wirbelkörper an ihren Enden breiter sind als in der Mitte, befindet sich der Diskus dort, wo die laterale Kontur des Schwanzes am breitesten ist. Zur Absicherung kann eine Kanüle in der Mittelachse von dorsal nach ventral durch den Schwanz hindurch gestochen werden. 
Eine Hilfsperson hält den Schwanz oberhalb der geplanten Amputationsstelle fest und zieht die Haut soweit wie möglich nach proximal. Die zirkuläre Inzision der Haut erfolgt durch zwei halbmondförmige Schnitte. Der eine verläuft auf der Dorsalseite, der andere ventral, jeweils mit der konvexen Kurvatur nach distal. Beide Schnitte treffen sich auf beiden Seiten lateral. Bei der Schnittführung ist darauf zu achten, dass sie ausreichend weit nach distal geführt werden, damit der verbleibende Stumpf beim Anlegen der Naht vollständig abgedeckt werden kann. Anschließend wird die Haut nach proximal bis auf Höhe des Gelenkes von der Unterlage abpräpariert und der distale Schwanzteil zwischen zwei Wirbelkörpern im Diskus amputiert. Der Verschluss der beiden Hautlappen erfolgt mittels Knopf- oder U-Heften.

5.2 Bilder zur OP-Durchführung

Schwanzamputation

 

 Ein Gummiband verhindert größere Blutungen während des Eingriffs.

 

Schwanzamputation Schwanzamputation

 

Das Gelenk zwischen zwei Wirbelkörpern befindet sich etwas distal der Stelle, an der die laterale Kontur des Schwanzes am breitesten ist. Diese Stelle kann durch Palpation aufgefunden werden.

 

Schwanzamputation

 

Zur Absicherung der Lokalisation kann eine Kanüle durch das Gelenk hindurch gestochen werden.

 

Schwanzamputation

 

Anlegen von zwei halbmondförmige Schnitten (der eine verläuft auf der Dorsalseite, der andere ventral, beide Schnitte treffen sich auf beiden Seiten lateral).

Anschließend wird die Haut nach proximal bis auf Höhe des Gelenkes von der Unterlage abpräpariert.

 

Schwanzamputation

 

Der Schwanz wird im vorher markierten Gelenk (im Diskus) abgesetzt.

 

Schwanzamputation

 

Nach Absetzen des Schwanzes wird die Kanüle entfernt und auftretende Blutungen notfalls gestillt.

 

Schwanzamputation

 

Die Haut wird mit Einzelheften (Knopf- oder U-Hefte) verschlossen.

 

Schwanzamputation

 

Zur Abdichtung kann die Wunde mit einem Aluspray abgedeckt werden.

 

 

 

Das Anlegen eines Schwanzverbandes wird zum Schutz des Amputationsstumpfes (insbesondere bei Kühen, die separat gehalten werden können) empfohlen. Dabei sollte auf ausreichende Polsterung geachtet werden. Der Verband kann mit wasserabstoßendem Klebeband abgeschlossen werden. Ein zirkulär und sich überkreuzendes Klebeband, welches proximal des gepolsterten Verbandes verläuft, verhindert das Abrutschen des Verbandes vom konisch geformten Amputationsstumpf.

6. Nachsorge

Verabreichung eines Antiinfektivums für 5 Tage, Fortführung der Antiphlogese nach Bedarf.

Bei komplikationsloser Wundheilung können die Fäden 12 Tage nach dem Eingriff entfernt werden.

7. Komplikationen

Wundinfektion, Nahtdehiszenz, aufsteigende Infektion

Die Heilungsaussichten sind insgesamt sehr gut.