5.10 Fortbildung und Weiterbildung

W. Klee und A. Stoltenhoff

 

Fortbildung ist die ständige Erweiterung und Aktualisierung der eigenen berufsbezogenen Kenntnisse und Fertigkeiten. Sie ist eine der vorrangigen Berufspflichten. Dem einzelnen TA ist es jedoch überlassen, in welcher Weise er sich fortbildet.

Die Bayerische Tierärztekammer hat ein Fortbildungszertifikat eingeführt, durch dessen Erlangung Tierärztinnen und Tierärzte die Erfüllung ihrer Fortbildungspflicht dokumentieren können. Es sieht ein Punktesystem und verschiedene Kategorien von Fortbildungen (Vortrag und Diskussion, Fortbildung mit Beteiligung jedes einzelnen Teilnehmers, Hospitation bei einem Fachtierarzt, Selbststudium, eigene Vorträge) vor. Die Teilnahme an diesem System ist freiwillig.

 

Weiterbildung ist die freiwillige Spezialisierung in einem Gebiet, einem Teilgebiet oder in einem Bereich mit dem Ziel der Erlangung der Anerkennung als FTA oder einer Zusatzbezeichnung, gemäß den von den einzelnen Kammern erlassenen Weiterbildungsordnungen.

 

Rechtsgrundlage der Weiterbildungsordnung (WBO) der BLTK ist der Art. 27 des HKaG:

„Ärzte können … neben ihrer Berufsbezeichnung weitere Bezeichnungen führen, die auf besondere Kenntnisse und Fähigkeiten in einem bestimmten medizinischen Gebiet (Gebietsbezeichnung) oder Teilgebiet (Teilgebietsbezeichnung) oder auf andere zusätzlich erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten (Zusatzbezeichnung) hinweisen.“

 

Ziel der Weiterbildung ist es, Tierärzten nach Abschluss ihrer Berufsausbildung im Rahmen einer Berufstätigkeit eingehende Kenntnisse und Erfahrungen in den Gebieten, Teilgebieten und Bereichen zu vermitteln, für die neben der Berufsbezeichnung weitere Bezeichnungen als Hinweis auf besondere tierärztliche Kenntnisse geführt werden dürfen (§ 1 Abs. 1 WBO).

 

Weiterbildung muss an einer zur Weiterbildung für ein bestimmtes Gebiet anerkannten Einrichtung oder durch eine zur Weiterbildung auf einem bestimmten Gebiet ermächtigten Person erfolgen. Die Anerkennungen bzw. Ermächtigungen werden durch die zuständigen Landestierärztekammern erteilt und im Deutschen Tierärzteblatt veröffentlicht. Einrichtungen der Hochschulen sind per Gesetz zur Weiterbildung ermächtigt.

 

Die Dauer der Weiterbildungszeit ist bei den einzelnen Fachtierarztgebieten unterschiedlich. Nach Art. 30 Abs. 2 HKaG darf sie 3 Jahre nicht unterschreiten und soll in der Regel 6 Jahre nicht überschreiten (z. B. 3 Jahre für FTA für Lebensmittel, 4 Jahre für FTA für Rinder oder 5 Jahre für FTA für Pathologie).

 

Für einige Gebiete und Teilgebiete wurden von der Delegiertenversammlung der BLTK Leistungskataloge erstellt. Diese sind kein Bestandteil der von der Aufsichtsbehörde zu genehmigenden WBO, sondern ausführende Verwaltungsvorschriften, die im Bedarfsfall von der Standesvertretung rasch aktualisiert werden können. Diese Leistungskataloge sollen den Mindestinhalt und die Qualität der Weiterbildung festlegen.

Auszug aus dem Leistungskatalog für das Gebiet "Pferde":

 

Interpretation der Befunde hämatologischer/klinisch-chemischer Laboruntersuchungen 100
Kolikdiagnostik und prognostische Beurteilung   50
Therapie von Krankheiten folgender Organsysteme - Atemwege, Lunge, Pleura 100
Chirurgie - Gebisskorrektur   10
Behandlung einer Schlundverstopfung     5
Indikationsstellung für orthopädischen Hufbeschlag   10
Injektionsnarkose   20


 

 

In Bayern gibt es eine separate Weiterbildungsordnung für Tierärzte im Gebiet "Öffentliches Veterinärwesen".

 

Die Anerkennung als FTA setzt das Bestehen einer mündlichen Prüfung ("Fachgespräch") von etwa 60 Minuten Dauer voraus, die von der Landestierärztekammer im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses organisiert wird (§ 11 WBO). Diese Prüfung kann beliebig oft, aber frühestens nach drei Monaten, wiederholt werden. Da sie aber jedes Mal Geld kostet, sollte man kein Hobby daraus machen.

 

 

Beispiele der über 30 FTA-Gebiete (in Bayern):

Pferde

Kleintiere

Schweine

Rinder

Schafe

Pathologie

Pharmakologie

Tierärztliche Allgemeinpraxis (!)

 

Die Ausbildung für Teilgebiete ist in der Regel nach der Erlangung des entsprechenden FTAes zu absolvieren.

 

Beispiele für Teilgebiete:

Chirurgie (FTA für Pferde)

Innere Medizin (FTA für Pferde)

Toxikopathologie (Pathologie)

Zierfische (Fische)

Gentechnologie (Tierzucht und Biotechnologie)

Dermatologie (FTA für Kleintiere)

 

 

Beispiele für Bereiche, für die Zusatzbezeichnungen erworben werden können:

Homöopathie

Akupunktur

Biologische Tiermedizin

Hygiene- und Qualitätsmanagement im Lebensmittelbereich

Tierärztliche Betreuung von Pferdesportveranstaltungen

Verhaltenstherapie

Augenheilkunde

Zahnheilkunde

Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb – Rind

Tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb – Schwein

Physikalische Therapie

 

Zusatzbezeichnungen können unabhängig von einer FTA-Ausbildung erworben werden.

 

Die Anerkennung von Gebieten, Teilgebieten und Zusatzbezeichnungen gilt bundesweit, auch wenn sich die Weiterbildungsordnungen der einzelnen Landestierärztekammern etwas unterscheiden.

 

Pflichten der Fachtierärzte

Wer eine Gebietsbezeichnung führt, darf grundsätzlich nur in diesem Gebiet, wer eine Teilgebietsbezeichnung führt, darf im wesentlichen nur in diesem Teilgebiet tätig werden. Wer eine Gebiets-, Teilgebiets- oder Zusatzbezeichnung auf dem Praxisschild führt, muss auf diesem Gebiet, Teilgebiet oder Bereich auch tätig sein (§ 19 WBO).

 

Es können mehrere FTA-Titel erworben werden. Das HKaG (Art 50) und die WBO (§ 4) beschränken aber die Zahl (auf 2) und Art der FTA-Titel (z. B. nicht "FTA für Tierärztliche Allgemeinpraxis"), welche neben der Bezeichnung "prakt. Tierarzt" geführt werden dürfen. Außerdem dürfen nur Gebietsbezeichnungen nebeneinander geführt werden, welche miteinander "verwandt" sind, wobei die Festlegung von "Verwandtschaft" nicht immer ganz einleuchtend ist, z. B. von "Anaesthesiologie" einerseits und "Tropenveterinärmedizin" oder "Informationstechnologie in der Tiermedizin" andererseits. (Es ist erstaunlich, worüber sich manche Leute den Kopf zerbrechen. Aber offensichtlich ist es wichtig, denn diese Aufstellungen füllen 16 Seiten der WBO aus.)

 

European Colleges

Nach Vorbild der American Colleges und Boards sind in Europa unter der Aufsicht des „European Board of Veterinary Specialisation“ (EBVS) seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verschiedene European Colleges entstanden. Meist basieren sie auf einer gleichnamigen „European Societey“ und sind disziplinenorientiert. Beispiele: "European College of Veterinary Surgeons“, "European College of Veterinary Internal Medicine – Companion Animals“, „European College of Equine Internal Medicine“. Im Bereich der Nutztiere gibt es seit 2003 auch zwei speziesorientierte College: "European College of Bovine Health Management" und "European College of Porcine Health Management". Ihr Zweck besteht in der Vereinheitlichung von postgradualer Ausbildung auf europäischer Ebene und auf hohem Niveau. Die Ausbildung nach dem „standard pathway“ besteht in einer einjährigen „Internship“ und einer dreijährigen „Residency“. Nach Bestehen der (sehr schweren) Prüfung wird der Kandidat als „Diplomate“ in das College aufgenommen. Der Titel „Diplomate“ der „European Colleges“ darf in Deutschland geführt werden, wenn er rechtmäßíg erworben worden ist. Das ist ein berufsrechtlicher Aspekt. Von den für die Anerkennung von Weiterbildung zuständigen Landestierärztekammern können "Internship" und "Residency" auf die Mindestausbildungszeit für den entsprechenden Fachtierarzt angerechnet werden, so dass unter Umständen dann nur noch das Fachgespräch zu absolvieren ist. Das ist der weiterbildungsrechtliche Aspekt.

 


Letzte Änderung: 11. 1. 2006


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