Labmagengeschwüre bei Kälbern
 
A. Lorch, G. Rademacher, W. Klee
 
 
Das Wichtigste in Kürze

Ätiologie nicht geklärt; möglicherweise Zusammenwirken verschiedener Stressoren. Nahezu alle Kälber sind mit oberflächlichen, meist klinisch inapparent verlaufenden Labmagengeschwüren behaftet. Klinisch apparente Ulzera (v.a. perforierende Geschwüre) treten am häufigsten bei 6 - 12 Wochen alten Kälbern auf. Einteilung in nicht blutende (Erosionen, oberflächliche, tiefe), blutende und perforierende Labmagengeschwüre. Die Perforationsstelle liegt beim Kalb fast ausschließlich in der Pylorusregion des Labmagens. Der Durchbruch erfolgt am häufigsten in die Bursa omentalis mit der Folge einer jauchig-fibrinösen Bursitis und im weiteren Verlauf Peritonitis. Bei Durchbruch in die Bauchhöhle auch perakuter Verlauf möglich.


 

Prüfungsstoff
 
 

Ätiologie
Epidemiologie
Klassifikation
Klinik, Prognose, Therapie

Ätiologie:
 

Nach wie vor nicht geklärt. Wahrscheinlich ist das Zusammenwirken verschiedener Faktoren: z.B. Stress (durch Vermarktung, Transport, Gruppenbildung, Futterumstellung, Impfungen, Enthornung); Vertränkung sehr großer Milchvolumina (zum Teil über 8 Liter pro Mahlzeit) in den ersten Lebenswochen (lokale Kompressionsischämie durch Überdehnung der Labmagenwand; in diesen Bereichen soll die Schleimhaut anfälliger werden); Futterumstellung von reiner Milchtränke auf Raufutter.

Auch bei Kälbern mit alleiniger Vollmilch- oder MAT-Ernährung, Automatentränkung oder sogar bei Kälbern aus Mutterkuhhaltung können Labmagengeschwüre (incl. perforierende Ulzera mit Todesfolge) auftreten.

Beim Menschen ist die Beteiligung von Bakterien (Helicobacter pylori) an der Ulkusgenese gut gesichert. Derartige Bakterien sind auch bei Kälbern nachzuweisen; ihre Beteiligung an der Ulkusentstehung ist jedoch fraglich. Das gleiche gilt für Clostridium perfringens und Campylobacter spp..

Epidemiologie:
Unabhängig von Art der Fütterung und Haltungssystem haben je nach Alter bis zu 90 % der Kälber oberflächliche Schleimhautläsionen, ohne dass immer erkennbare klinische Erscheinungen auftreten. Diese Geschwüre verheilen meist wieder. Perforierende Labmagengeschwüre treten am häufigsten bei 6 - 12 Wochen alten Kälbern auf (oft nach Vermarktung und Umstallung).

  

Klassifikation:
 

1. Nicht blutende Geschwüre

            a) Erosionen und oberflächliche Ulzera: Klinisch inapparenter Verlauf. Bei betroffenen Kälbern ist keine Wachstumseinbuße nachweisbar.

b) Tief reichende Ulzera: Verlauf mit oder ohne lokale Peritonitis (Fibrinausschwitzungen auf der Labmagenserosa), möglicherweise Verklebungen / Verwachsungen im weiteren Verlauf.

2. Blutende Ulzera: Die Symptome und der Verlauf sind davon abhängig, ob nur kleinere oder auch größere Blutgefäße in der Submukosa angegriffen sind. Verbluten in den Labmagen hinein ist möglich.

3. Perforierende Ulzera: Frisst sich die Salzsäure des Magensaftes durch alle Schichten der Labmagenwand, so kann der Mageninhalt in verschiedene Bereiche der Bauchhöhle austreten. Die Lokalisation der Perforation befindet sich bei Kälbern bis zu 6 Monaten fast immer in der Pylorusregion des Labmagens, bevorzugt im korpusnahen Pylorusdrittel entlang der großen Kurvatur. Die Perforation erfolgt in der Mehrzahl der Fälle in die Bursa omentalis (Netzbeutelhöhle). Am zweithäufigsten brechen Labmagengeschwüre bei linksseitig verlagertem Labmagen zur linken Bauchwand hin durch und reichen in Einzelfällen bis unter die Haut (Salzsäure frisst sich durch die Muskelschichten der Bauchwand). In die freie Bauchhöhle perforierende Labmagengeschwüre sind selten (perakuter Verlauf mit Schockgeschehen). Je nach Perforationsweg kommt es zu einer fibrinösen, z.T. nekrotisierenden bis jauchigen Bursitis omentalis oder zu einer fibrinösen lokalen oder generalisierten Peritonitis. In eigenen Untersuchungen bestand bei ca. dreiviertel der Kälber mit perforierendem Labmagengeschwür gleichzeitig eine Labmagenverlagerung nach links.

 Diese Einteilung ist naturgemäß retrospektiv erstellt und von begrenztem Wert für den Kliniker.
 

Klinik, Therapie und Prognose:
 

Tiefreichendene Geschwüre : unspezifische Symptome wie reduzierte Futteraufnahme, gestörtes Allgemeinbefinden, evtl. “Vorderbauchschmerz”, können dadurch oft nicht zugeordnet werden, heilen spontan oder werden zum perforierendem Geschwür.

 Blutende Geschwüre: zunehmende Verschlechterung des Allgemeinbefindens (blasse Schleimhäute, schlecht gezeichnete Skleralgefäße, kühle Körperoberfläche und Extremitäten, Tachykardie, frequente Atmung; nach ca. 24 h tritt Meläna auf. Eine Bluttransfusion (siehe Glossar) ist die einzig lebensrettende Therapiemaßnahme (je nach Anämie 2 - 5 l bzw. 20 ml / kg KG). Durch Operation meist keine Verbesserung der Prognose. Sehr hohe Letalität bei größeren, unbehandelten Blutungen. Mit Bluttransfusion teilweise erstaunlich günstiger Verlauf.

 Perforierende Labmagengeschwüre: Betroffene Kälber sind bei Einlieferung in die Klinik meist schon mehrere Tage lang krank bei verminderter oder sistierender Tränkeaufnahme; auffällige Körperhaltung (aufgekrümmter Rücken, gesenkter Kopf, hängende Ohren); gedämpftes Verhalten (müde, matt bis apathisch); Koliksymptome treten selten, wenn überhaupt nur in geringgradiger Ausprägung auf; oft wird das Flotzmaul ins Tränkebecken gedrückt, ohne dass die Kälber trinken (nasses Flotzmaul oder nasser Kehlgang); Schleimhäute mitunter blassbläulich; auffälliges Abdomen (v.a. beidseits vermehrt gefüllt); erhöhte Bauchdeckenspannung; positive Schmerzpalpation über großen Arealen des Abdomens; keine oder allenfalls schwache Darmmotorik; Klingel- und/oder Plätschergeräusche links, rechts oder beidseits (abhängig vom Perforationsweg und gleichzeitig bestehenden Verlagerungszuständen des Labmagens), nur Spuren von Kot oder wenig Kot im Rektum. Nach erfolgter Perforation ist die Prognose zurzeit infaust (ausgeprägte Bursitis omentalis und/oder Peritonitis); ggf. nach Abklärung durch eine diagnostische Laparotomie sollte das Kalb euthanasiert werden.

PubMed
 
 



Letzte Änderung: 10.05.2005


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