Maul- und Klauenseuche (MKS)
Foot-and-mouth
disease (FMD)
W. Klee
Das Wichtigste in Kürze Erreger: Aphthovirus aus der Familie der Picornaviridae. Serotypen O, A, C, Asia, SAT 1-3 mit jeweils vielen Untertypen ohne Kreuzimmunität. Wirtsspektrum: Klauentiere und wenige andere Spezies. Morbidität nahezu 100 %, Letalität bei erwachsenen Rindern 2-50 %, bei jüngeren Rindern höher. Wirtschaftliche Verluste vor allem aufgrund anhaltender Leistungsdepression und Kosten der Bekämpfungsmaßnahmen. Die Tiere können nach überstandener Krankheit lange Zeit Virusträger bleiben. Inkubationszeit 1-7 Tage. Virämie mit Fieber und Virusausscheidung über Milch und Speichel vor Auftreten der typischen Schleimhautläsionen: Bildung von Blasen (Aphthen), Abheilung ohne Narbenbildung. Schmatzen, Speicheln. Schluckbeschwerden. Der z.T. schaumig geschlagenene Speichel bleibt als "MKS-Bart" an den Lippen hängen. Trippeln und zuckendes Anheben der Füße. Bei Schweinen und Schafen erschwerte Diagnostik aufgrund geringer Ausprägung der klinischen Symptomatik. Diagnose: klinischer Verdacht => Anzeigepflicht!. Differentialdiagnosen: MD, Stomatitis papulosa, BKF, Rinderpest und Stomatitis vesicularis, Dermatitis digitalis und Mauke. Allein MKS führt zur Aphthenbildung auf der Zunge ! Behandlungsversuche sind verboten, alle Klauentiere des betroffenen Bestandes werden getötet und unschädlich beseitigt. Die prophylaktische Impfung wurde 1991 abgeschafft und ist seither in der EU verboten. Politik der EU der Nicht-Impfung und Keulung nach großem MKS-Ausbruch in GB 2001 zunehmend umstritten. |
Prüfungsstoff
Erreger:
Aphthovirus aus der Familie Picornaviridae. Serotypen O (vom französischen Departement
Oise), A (von „Allemagne“ = Deutschland), C, Asia 1, SAT 1-3 (South African
Territories), jeweils mit vielen Untertypen ohne Kreuzimmunität (!). Die Benennung des Typen "C" erfolgte in der
Erwartung, dass die Nomenklatur dem Alphabet folgen würde, "Oise" und
"Allemagne" also in A und B umbenannt werden würden.
(http://www.aphis.usda.gov/vs/ep/fad_training/VESVOL7/page08_7.html)
(Für den
Hinweis auf diese Information danke ich Ulrike Müller.)
In Europa
sind bisher nur die Typen O, A und C nachgewiesen worden. Das Virus zeigt eine
hohe Mutationsrate.
Epidemiologie:
Das Wirtspektrum umfasst außer Klauentieren unter anderen auch Elefanten, Igel
und Menschen (hier geringe Morbidität, (seltene Laborinfektionen, harmloser oder subklinischer Verlauf; so hatten viele Personen, die in
virologischen Labors arbeiteten, Antikörper, ohne jemals
Krankheitserscheinungen gezeigt zu haben). Schalenwild (Hirschartige, Mufflon,
Gemsen, Wildschweine) scheint in Deutschland bisher keine Rolle im
Seuchengeschehen gespielt zu haben.
Weltweite Verbreitung, mit Ausnahme von Nordamerika, Australien und Neuseeland.
Letzte Ausbrüche in der BRD: Ende 1987, Anfang 1988 nordöstlich von Hannover.
Letzte Ausbrüche in der EU: Italien (1994), Griechenland (1995, 1996, 2000
[Asia 1]). Nach den Ausbrüchen in Griechenland von 1996 trat MKS auch in
Albanien auf, außerdem im Kaukasus, Nordafrika (dem Virus scheint es gelungen
zu sein, die Sahara zu überwinden, welche bisher als natürliche Barriere
angesehen wurde).
Im Jahr 1997 gab es einen größeren Ausbruch von MKS in Taiwan (Typ O Taiwan),
bei dem nur Schweine erkrankten, obwohl auf manchen der betroffenen Betrieben
auch Wiederkäuer gehalten wurden.
Im Jahr 2001 trat MKS (Typ O, Stamm PanAsia) im Vereinigten Königreich auf, der
seinen Ursprung vermutlich in einem Betrieb nahm, der Schweine mit ungenügend
erhitzten Essensresten mästete, breitete sich rasch aus und griff auch auf das
europäische Festland (F und NL) über. Dieser Stamm wurde 1990 bei einem
Ausbruch in Nordindien erstmals isoliert und hat sich seither rasch nach Westen
und Osten (bis China, Korea, Taiwan und Japan) ausgebreitet. In vielen Gegenden
mit endemischem Vorkommen von MKS hat dieser Subtyp alle übrigen verdrängt. In
Saudiarabien sind Ausbrüche auch in regelmäßig geimpften Herden vorgekommen.
Schafe scheinen bei der Ausbreitung der MKS in GB 2001 eine große Rolle gespielt zu haben, zum einen, weil viele Transport zu Märkten stattfanden, zum anderen, weil sie häufig kaum klinische Erscheinungen zeigten. Es gibt jedoch auch Berichte, wonach Morbidität und Krankheitsintensität in einzelnen Schafherden höher waren als bei Rindern in direktem Kontakt.
Morbidität in empfänglichen Rinderpopulationen nahezu 100 %. (In Ostasien ist jedoch im Jahr 2000 ein Stamm vom Typ O isoliert worden, der bei einigen Rinderrassen zur Serokonversion führt, ohne dass Krankheitserscheinungen auftreten, was die Diagnostik naturgemäß erschwert. Letalität bei erwachsenen Rindern 2 - 50 %, bei jüngeren Rindern höher. Wirtschaftliche Verluste entstehen weniger aufgrund von Todesfällen, sondern aufgrund langanhaltender Leistungsdepression und der Kosten der Bekämpfungsmaßnahmen. Die wirtschaftlichen Schäden, die mit dem Ausbruch in GB 2001 verbunden waren, betrafen die Tourismus-Industrie in noch größerem Ausmaß als die Landwirtschaft oder andere Industriezweige.
Nach überstandener Krankheit können Tiere längere Zeit (> 2 Jahre)
Virusträger bleiben, was bei importierten Wildwiederkäuern zu beachten ist. Die epidemiologische Bedeutung von
Trägern ist jedoch ungewiss.
Pathogenese:
Erster Infektionslokus und Vermehrungsort ist der Pharynx. Danach erscheint das
Virus in Blut, Milch und Speichel, bevor die typischen Schleimhautläsionen
auftreten. Die Persistenz der Infektion, die auch
bei geimpften Tieren vorkommen kann, scheint an bestimmte Zellpopulationen im
Pharynx gebunden zu sein.
Klinische Symptomatik:
Die Inkubationszeit beträgt 1 - 7 Tage, meist 3 - 6 Tage. Schon vor dem
Auftreten der typischen Aphthen (schmerzhafte Blasen in der kutanen
Schleimhaut, die sich durch Verflüssigung von Zellen und Exsudation vom
Papillarkörper aus im Stratum spinosum bilden. Das Stratum germinativum als
Aphthengrund bleibt unversehrt, weshalb die Abheilung ohne Narbenbildung
erfolgt. In der humanmedizinischen Literatur werden Aphthen z.T. anders
definiert.) besteht Fieber. Mit Beginn der Stomatitis speicheln die betroffenen
Tiere und schmatzen in eigenartiger Weise. Das Schmatzen kommt daduch zustande,
dass die Tiere die Maulspalte periodisch aufreißen, vermutlich aufgrund der
Schmerzen. Der dadurch zum Teil zu Schaum geschlagene Speichel bleibt an der
Lippe hängen ("MKS-Bart"). Es fließt jedoch auch klarer,
fadenziehender Speichel ab, weil die Tiere das Schlucken vermeiden. Wegen der
Schmerzen an den Füßen Trippeln, zuckendes Anheben der Füße.
Es gibt auch besonders bösartige Verlaufsformen mit Myokarditis und akutem
Herzversagen, besonders bei Kälbern, die dann plötzlich verenden können, ohne
die typischen Läsionen entwickelt zu haben.
Problematisch für die Diagnostik ist die Tatsache, dass bei Schweinen und vor allem bei Schafen die Morbidität und die Ausprägung der klinischen Symptomatik sehr wenig ausgeprägt sein oder sich auf Lahmheit beschränken können.
Zunge eines Rindes mit Aphthen
Zunge eines Rindes mit aufgeplatzter Aphthe
vermehrtes Speicheln ("MKS-Bart")
Aphthen an den Zitzen
Diagnose:
Im ausgeprägten Stadium ist die Krankheit klinisch mit hinreichender Sicherheit
zu erkennen.
Differentialdiagnosen:
Bezüglich der Veränderungen in der Maulhöhle: Mucosal Disease, Stomatitis
papulosa, BKF, Rinderpest, Stomatitis vesicularis (kommt in Deutschland nicht
vor, befällt im Gegensatz zu MKS auch Pferde). Unter den in D vorkommenden
Krankheiten führt allein MKS zu Aphthen an der Zunge.
Bezüglich der Veränderungen im Zwischenklauenspalt: MD, Dermatitis digitalis,
Mauke.
§:
Die Krankheit und der Verdacht sind anzeigepflichtig.
Behandlungsversuche sind verboten. Alle Klauentiere des betroffenen Bestandes
werden unter strengen Sicherheitsmaßnahmen getötet und unschädlich beseitigt. Am
4. Juli 2004 ist eine neue „Verordnung zum Schutz gegen die Maul- und
Klauenseuche (MKS-Verordnung)“ in Kraft getreten.
In manchen Ländern der EU werden umfangreiche Vorkehrungen für den Ernstfall (=
Ausbruch von MKS) getroffen, z.B. in Form von realistischen Übungen. In Bayern,
das aufgrund seiner geographischen Lage als besonders gefährdet angesehen wird,
existiert ein Notfallplan.
Die Richtlinie 2003/85/EG des Rates vom
29. September 2003 beschreibt Maßnahmen der Gemeinschaft zur Bekämpfung der
MKS.
Das Weltreferenzlabor für MKS ist in Pirbright, GB.
Prophylaxe:
In der BRD erfolgte bis 31. 3. 1991 jährliche Impfung mit inaktivierter
trivalenter Vakzine. Seither ist die Impfung in der EU verboten, und es ist
auch kein Impfstoff mehr im Handel. Für Notfälle ist jedoch auf der Insel Riems
eine Impfstoffbank eingerichtet worden. Es wird aber weiterhin an der
Fortentwicklung von (Marker-)Vakzinen gearbeitet.
Angesichts der "stamping-out"-Politik der EU, nach welcher in GB
über 4 Millionen (!) Klauentiere getötet und verbrannt wurden, wird der Ruf
nach Impfung immer lauter. Hierbei ist zwischen Notimpfung (welche als
Ringimpfung von außen nach innen um einen Ausbruchsherd erfolgt einerseits und
einer flächendeckenden prophylaktischen Impfung andererseits zu unterscheiden.
Argumente für prophylaktische Impfung: 1. Ethik (es wird
befürchtet, dass die Gewöhnung an Massentötungen von Tieren zu einer
"Verrohung" führen könnte) 2. Tierschutz. 3. Ökonomische Aspekte. 3.1
Schutz von wertvollen Tierbeständen vor der Vernichtung. 3.2 Die
Handelsrestriktionen seitens wichtiger Import-Länder (USA), welche von der EU
vermieden werden wollen, sind nach MKS-Ausbrüchen in verschiedenen
Mitgliedstaaten der EU ohnehin in Kraft getreten. 3.3 Der Unterhalt der
Impfstoffbanken kostet auch viel Geld
Argumente gegen Impfung: 1. Wenn ein Land wieder als frei von MKS
anerkannt werden möchte, müssen auch die (mit konventionellen Vakzinen)
geimpften Tiere irgendwann getötet werden, weil sie bisher mit serologischen
Methoden nicht sicher von mit Feldvirus infizierten unterschieden werden
können. Inzwischen stehen solche Methoden aber zur Verfügung. Alternativ würden
Handelsrestriktionen über Jahre bestehen bleiben, nämlich bis etwa 6 Monate
nach Tod des letzten geimpften Tieres.
Die Argumentation in der EU im Hinblick auf mögliche Auswirkungen von Impfungen
auf die Exportfähigkeit von Fleisch mutet allerdings etwas merkwürdig an, wenn
die EU den Import von Fleisch von geimpften Rindern aus Argentinien erlaubt
(Vieh und Fleisch, Nr. 23/2002, Seite 2). 2. Die früher in D üblichen Impfungen
haben nicht vor Infektion und auch nicht immer vor Erkrankung nach Infektion
mit antigenetisch abweichenden Feldvirus-Subtypen geschützt. 3. In Ländern ohne
prophylaktische Impfungen (z. B. GB) gab es in der Zeit von 1966 bis 1991 nicht
mehr, sondern weniger Ausbrüche als in "Impf-Ländern" (z. B. D).
Die EU scheint ihre Haltung gegenüber Impfungen etwas geändert zu haben. Prophylaktische Impfungen des ganzen Tierstapels werden zwar weiterhin nicht vorgesehen, aber im Falle eines Ausbruchs sollte Impfung eine der ersten Maßnahmen sein.
Letzte Änderung: 08.10.2016
home-page
Inhaltsverzeichnis
© Copyright 2016, Klinik für Wiederkäuer, Ludwig-Maximilians-Universität
München