Anämie

W. Klee  

Definition:
Mangel an zirkulierenden Erythrozyten
 

Ätiologie:

Hämorrhagische Anämien:
     Gefäßtrauma
     Blutentzug durch Parasiten (z. B. Läuse, Ostertagia ostertagi)
     Erhöhte Gefäßdurchlässigkeit
          Septikämie und Virämie
    Gerinnungsstörungen
          Mangel an bestimmten Gerinnungsfaktoren
               Vitamin K-abhängige Faktoren (II, VII, IX, X), z.B. nach Cumarin-Vergiftung
               Hämophilie spielt beim Rind keine Rolle
               Pilztoxine (z.B. Aspergillus spp.) können die Prothrombinzeit verlängern
      Störungen der Thrombozytenfunktion (Differenzierung über Knochenmarksuntersuchung)
               Bildung vermindert (im Rahmen von Knochenmarksschädigungen mit Panzytopenie)
               vermehrte Zerstörung oder Verbrauch erhöht (normale Lebensdauer 7 - 10 d)

Thrombozytopenie ist die häufigste Ursache für Blutungsübel beim Rind. Sie ist praktisch immer erworben, nur bei Simmental-Rindern ist eine erbliche Thrombopathie beschrieben. Blutungen (Petechien oder Ekchymosen, Nasenbluten, Hyphaema [Blutung in die vordere Augenkammer], Hämaturie, Blutungen aus Injektionswunden) werden offensichtlich, wenn die Zahl der zirkulierenden Thrombozyten deutlich unter 50000 pro µl fällt.
Bei Kälbern wurde hämorrhagische Diathese auf der Basis von Thrombozytopenie nach Infektion mit gewissen Stämmen von BVD-Virus beschrieben.

   Jungrind mit hämorrhagischer Diathese. Das Tier blutet lange Zeit aus Einstichstellen am Hals nach.

Wichtigste Differentialdiagnose zu primärer Thrombozytopenie als Ursache für hämorrhagische Diathese ist die disseminierte intravasale Gerinnung (Verbrauchskoagulopathie, DIC), welche bei Sepsis, bakteriell bedingter Intoxikation oder nach massivem Trauma auftreten kann.
 

Hämolytische Anämien:
     Intravasale Hämolyse (kann mit Ikterus verbunden sein)
          Blutparasiten
               Babesiose
               Eperythrozoonose (vermutlich nur bei Überlastung der Milz; Schaf)
          Infektionen
               Leptospirose
         Intoxikationen
               Kohl- und Raps-Vergiftung
               "Chronische" Kupfervergiftung
         Andere Ursachen
               Postpartale Hb-Urie
               Transfusions-Unverträglichkeit
               Autoimmune hämolytische Anämien (beim Rind selten)

    Extravasale Hämolyse (kein Ikterus!)
          Blutparasiten
               Anaplasmose
               Eperythrozoonose (Schaf))
          DIC (Erys werden vom RES entfernt)
 

Hypoplastische Anämien:
    Mangelkrankheiten
         Kobalt und Kupfer
         Eisen
         Kalium
    Chronische Krankheiten
         Chronisch-eitrige Prozesse (z.B. auch Endokarditis)
         Farnvergiftung
         Chronische Furazolidonvergiftung
         starker Endoparasitenbefall
 

Klinische Erscheinungen:
Klinische Anzeichen treten erst auf, wenn der Hb-Gehalt des Blutes auf 50 % der Norm absinkt. Erfolgt der Abfall langsam, kann ein Verlust von 80 % überlebt werden. Ihre Ausprägung hängt vom Verlauf ab. Bei starker Blutung: Blasse Schleimhaut, kühle Körperoberfläche, Tachkardie, Tachypnoe, Schwanken, Zusammenbrechen. Der Hämatokrit ist in diesem Fall meist normal. Bei chronischer Blutung und bei hypoplastischer Anämie: Blasse Schleimhäute, erhöhte Infektanfälligkeit, Entwicklungsstörung. Der Hämatokrit ist mehr oder weniger stark erniedrigt. Bei intravasaler Hämolyse kommt es zu Fieber, Zittern, Aufstellen der Haare und Hb-Urie, später zu Ikterus.
 

Therapie:
Hängt sehr vom Grundleiden ab.
Bei Kumarinvergiftung Vitamin K1 (!) 1 mg/kg zweimal täglich über mindestens 5 Tage.
Siehe auch Blutübertragung im Glossar.
 

PubMed
 
  



Letzte Änderung: 28.10.2003


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