Pansentympanie
 
W. Klee  
 
 
Das Wichtigste in Kürze

Ansammlung unphysiologisch großer Mengen Gas im Pansen.

Pansentympanie mit schaumiger Durchmischung des Inhaltes: Manche Pflanzeninhaltsstoffe bewirken im Pansen die Bildung von Schaum, welcher nicht abgerülpst werden kann. Auftreten z.B. nach unvorbereitetem Zugang zu üppigem Grünfutter, Verfütterung von feuchtem frischen Raps oder Luzerne. Symptome: Vorwölbung der linken Flanke, Inappetenz, Kolik, häufiger Kot- und Harnabsatz, Dyspnoe, Maulatmung, bis zu Kollaps, Tod. Diagnose: Fütterungsanamnese, bei Sondierung des Pansens geht kein Gas ab. Therapie: Antizymotika. Trokarierung ist nicht indiziert, in sehr schweren Fällen eventuell Not-Ruminotomie.
Pansentympanie mit dorsaler Gasblase entsteht durch mangelhafte Eruktation der in normaler Menge anfallenden Gase, aufgrund von mechanischen Obstruktionen, motorischen oder nervalen Störungen. Zumeist ältere Kälber und Fresser betroffen, bei diesen in Form einer rezidivierenden Tympanie. Symptome: bis spektakuläre Vorwölbung der linken Flanke. Diagnose: Gas nach Einführen einer Maul- oder Nasenschlundsonde ablaßbar. Therapie: Gas ablassen. Bei rezidivierender Tympanie Schraubtrokar nach BUFF oder Anlegen einer kleinen Pansenfistel. Ausgewogene Ration anbieten (keine "Heudiät").


 

Prüfungsstoff
 

Definition:
Ansammlung unphysiologisch großer Mengen von Gas im Pansen.
Zu unterscheiden sind Tympanie mit schaumiger Durchmischung des Inhaltes (engl.: frothy bloat) und Tympanie mit dorsaler Gasblase (engl.: free gas bloat).
 
 
Pansentympanie mit schaumiger Durchmischung
des Inhaltes
Pansentympanie mit dorsaler Gasblase
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie und Pathogenese
Epidemiologie
Epidemiologie
Klinische Erscheinungen
Klinische Erscheinungen
Diagnostik
Diagnostik
Differentialdiagnosen
Differentialdiagnosen
Therapie
Therapie
Prophylaxe
Rezidivprophylaxe

 

Pansentympanie mit schaumiger Durchmischung des Inhaltes

Ätiologie und Pathogenese:
Manche Pflanzeninhaltsstoffe bewirken im Pansen die Bildung von Schaum, der nicht ausgerülpst werden kann. Der Mechanismus ist nicht bis ins letzte Detail bekannt, und es gibt zusätzliche Faktoren, die einzelne Tiere mehr oder weniger prädisponieren: u.a. Gier bei der Futteraufnahme, Größe des Pansens, Menge und Mukoproteingehalt des Speichels.
Rationen, die zur schaumigen Gärung führen, induzieren nicht die Bildung von mehr Gas als andere. (Kühe produzieren nach Grünfütterung 100 - 200 L Gas pro Stunde.)
Die Pansenmotorik ist zunächst erhöht, was das Problem eher noch verstärkt. Der Binnendruck im Pansen steigt. Die Vena cava caudalis kann komprimiert, und die Atmung durch den Zwerchfellhochstand mehr oder weniger beeinträchtigt werden.

Epidemiologie:
Der unvorbereitete Zugang zu üppigem Grünfutter (Frühjahr oder Herbst) ist mit erhöhtem Risiko verbunden, ebenso wie die Verfütterung von Raps, der nach frostiger Nacht frisch geerntet wurde, auf "nüchternen" Magen. Luzerne, auf der noch Tau liegt, ist gefährlicher als schon abgetrocknete.
Bemerkenswerterweise tritt das Problem nicht immer am ersten, sondern erst am zweiten oder dritten Tag der Fütterungsumstellung auf. Bei zeitlich begrenztem Weiden ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Tympanie größer als bei kontinuierlichem.
In manchen Gegenden ist die wirtschaftliche Bedeutung (plötzliche Todesfälle, reduzierte Produktion) erheblich.

Klinische Erscheinungen:
"Plötzliche" Todesfälle bei Tieren, die nicht intensiv überwacht werden.
Eine Zunahme des Pansenvolumens kann schon innerhalb der ersten Stunde nach Fütterungs- oder Weidebeginn erkennbar sein und rasch extreme Ausmaße erreichen. Inappetenz, Kolik, häufiger Kot- und Harnabsatz, Dyspnoe, Maulatmung mit vorgestreckter Zunge, Kollaps und Tod.

Diagnostik:
Sind mehrere Tiere einer Gruppe betroffen, ist die Diagnose einfach, insbesondere bei entsprechender Fütterungsanamnese. Sondierung des Pansens ist möglich (im Gegensatz zur Schlundverstopfung), es geht aber kein Gas ab.

Differentialdiagnosen:
Tympanie mit dorsaler Gasblase (Gas geht durch die Sonde ab)
Schlundverstopfung (Pansen nicht sondierbar)
Funktionelle Stenose

Therapie:
Trokarierung ist nicht angezeigt!!!
Hängt von dem Schweregrad ab
Bei nicht unmittelbar lebensbedrohlichem Zustand werden Antizymotika (schaumbrechende Mittel) per Sonde eingegeben. Es sind Sonden zur möglichst gleichmäßigen Verteilung des Medikamentes im Panseninhalt konstruiert worden. Aufgrund des hohen Binnendrucks muss das Medikament ggf. mit Druck eingespritzt werden. Am häufigsten werden Medikamente auf der Basis von Dimethylpolysiloxan (= Dimeticon) eingesetzt. Wirkungsprinzip ist  Schaumbrechung. Dosierung: 2 - 10 mg/kg in mehreren Litern Wasser. Wiederholung nach Bedarf.

Ist Instillation nicht möglich, aus welchem Grund auch immer, besteht noch die Möglichkeit der intraruminalen Injektion.

Wenn das Tier mit vorgestreckter Zunge dasteht und sich gerade noch auf den Beinen halten kann, ist eine Not-Ruminotomie mit einem spitzen und scharfen Messer angezeigt. Der Schnitt sollte etwa in der Mitte der linken Flanke angebracht werden und 10 bis 20 cm lang sein. Der schaumige Panseninhalt ergießt sich dann im starken Strahl. Soweit möglich, sollten die Pansenränder erfasst und hervorgezogen werden. Notfalls muss der Tierbesitzer am Telefon instruiert werden, diese Maßnahmen selbst durchzuführen. Anschließend muss die Wunde gesäubert, drainiert und teilweise verschlossen werden. Komplikationen sollen relativ selten sein. Keine eigenen Erfahrungen.

Die behandelten Tiere müssen intensiv überwacht werden.

Prophylaxe:
In Gegenden (Ländern), wo das Problem regelmäßig größere Ausmaße annimmt, sind verschiedene Methoden zur Vorbeuge entwickelt worden: zweimal tägliche Verabreichung von ca. 100 ml Öl, Aufsprühen von Öl auf die Weiden. Aufsprühen von Antizymotika auf die Flanken, von wo sie abgeleckt werden sollen; homogene Einmischung von Antizymotika ins Trinkwasser
 
 

Pansentympanie mit dorsaler Gasblase

Ätiologie und Pathogenese:
Störung der Eruktation der in normaler Rate (Volumen pro Zeiteinheit) anfallenden Gase auf der Basis von

Epidemiologie:
Als Einzelfälle nach Komplikation verschiedener Krankheiten (s.o.). Größte Häufung bei älteren Kälbern und Fressern, hier als rezidivierende Tympanie. Da bei gleicher Fütterung stets nur einzelne Tiere erkranken, sind individuelle prädisponierende Faktoren anzunehmen, ohne dass solche bislang aber eindeutig benannt werden können. Über die prädisponierende Wirkung einer Bronchopneumonie (Vaguskompression durch Schwellung der Lymphknoten im Mediastinum?) wird spekuliert.
 

Klinische Erscheinungen:
Offensichtliche bis spektakuläre Vorwölbung der linken Flanke.

   Pansentympanie mit dorsaler Gasblase bei einem Fresser. Deutlich sichtbar die Vorwölbung der linken Hungergrube

Diagnostik:
Von extremen Fällen abgesehen, kann die dorsale Gasblase durch Palpation von außen und Perkussion festgestellt werden. Außer bei Schlundverstopfung lässt sich das Gas durch Einführen einer Maul- oder Nasenschlundsonde ablassen, wenn auch nicht immer beim ersten Versuch.

Differentialdiagnosen:
Pansentympanie mit schaumiger Durchmischung des Inhalts (tritt meist bei mehreren in gleicher Weise exponierten Tieren auf, wenn auch nicht in gleicher Intensität).
Insbesonder bei Jungtieren ist die linksseitige Labmagenverlagerung zu berücksichtigen!!

Therapie:
Schonende Einführung einer Maul- oder Nasenschlundsonde.

Zur Trokarierung:
Indikation: Trokarierung ist nur bei lebensbedrohlichem Zustand indiziert, wenn sich per Sonde kein Gas entfernen lässt.
Instrumente: Zur Trokarierung erwachsener Rinder sollte ein etwa 40 cm langer Trokar mit scharfem Stilett verwendet werden.
Technik: Die Einstichstelle liegt jeweils etwa eine Handbreit unter den Enden der Lendenwirbelquerfortsätze und hinter dem Rippenbogen. Bei hochgradiger Tympanie ist es jedoch nicht so leicht, diese Strukturen zu spüren. Sofern es die Zeit erlaubt, sollte die Umgebung rasiert und "desinfiziert", und die Haut mit einem kleinen Schnitt eröffnet werden. Der Einstich soll mit einem Ruck in Richtung auf den rechten Ellenbogen erfolgen. Sofern es die relativen Größenverhältnisse erlauben, kann der Operateur zu seiner Sicherheit auf der rechten Seite des Tieres stehen. Zur Verhinderung allzu plötzlicher Druckveränderungen im Bauchraum (Kollapsgefahr) sollte das Gas nach Entfernung des Stiletts fraktioniert abgelassen werden. Ist die Ursache der Tympanie im Anschluss zu beseitigen (zum Beispiel eine Schlundverstopfung), besteht also keine Gefahr mehr für eine erneute Tympanie, kann der Trokar wieder entfernt werden. Ansonsten kann die Hülse an die Haut angenäht werden. Die nachträgliche Versorgung und Extraperitonealisierung der Einstichstelle durch Laparotomie ist empfehlenswert, aber nicht unabdingbar.
Komplikationen: Wichtigste Komplikation ist die Kontamination der Bauchhöhle mit nachfolgender Peritonitis, vor allem bei Verwendung eines zu kurzen Trokars, der schon aus dem zurückweichenden Pansen rutscht, solange der Binnendruck noch so groß ist, dass Inhalt durch die Trokarierungsöffnung hinausgepresst wird.
Es entwickelt sich dann nicht immer eine generalisierte Peritonitis, sondern eher ein sogenannter peritonealer Abszess.

Rezidivprophylaxe:
Schraubtrokar nach BUFF oder Anlegen einer kleinen Pansenfistel. Der Pansen muss beim Eindrehen des Schraubtrokars gebläht sein (notfalls durch Aufblasen über eine Nasenschlundsonde), weil sonst die Gefahr besteht, dass der Pansen durch den Trokar "aufgewickelt" wird.
Angebot einer ausgewogenen, nicht zu reichlichen Ration. Die oft praktizierte "Heudiät" ist nicht sachgemäß, da die betroffenen Kälber oder Jungrinder daraus ihren Nährstoffbedarf nicht decken können und daher dazu neigen, zu viel aufzunehmen. Der entstehende "Heubauch" behindert die Pansenmotorik.
 

PubMed
 
 
 


Letzte Änderung: 04.11.2018


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