Funktionelle Stenosen
„Hoflund-Syndrom“
 
W. Klee  
 
 
Das Wichtigste in Kürze

Störung der Sortierungsfunktion der Haube. Ätiologie nicht hinreichend geklärt. Schädigung von Ästen des N. vagus wurde angenommen. Die Einteilung in vordere und hintere funktionelle Stenose (Transport der Ingesta auf Höhe der Hauben-Psalter-Öffnung bzw. des Pylorus gestört) bezeichnet nach heutiger Ansicht nur aufeinanderfolgende Stadien. Klinisch zeigen sich Inappetenz, Rückgang der Kotmasse, Auftreibung des Leibes ("papple"-Form). Diagnose klinisch, im Zweifelsfall diagnostische Laparoruminotomie. Die Hauben-Psalter-Öffnung ist bei funktioneller Stenose schlaff offen. Differentialdiagnosen: mechanische Stenosen. Therapie: Entleerung der Vormägen, Korrektur des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes. Prognose insgesamt ungünstig. 


 

Prüfungsstoff
 
 
Ätiologie Differentialdiagnosen
Pathogenese Prognose
Klinische Erscheinungen Therapie
Diagnostik Prophylaxe

 

Ätiologie:
Nicht hinreichend geklärt. Lange Zeit wurde Schädigung des ventralen Astes des N. vagus im Bauchraum als Ursache angesehen. Die von den distal der Läsion gelegenen Anteile des Nerven versorgten Organe sollen in ihrer Funktion mehr oder weniger stark gestört sein, während es im Bereich der von den proximalen Anteilen innervierten Organe „reflektorisch“ (?) zu Erhöhung der Vagotonie kommen soll. Diese Ansicht stützt sich vor allem auf die Ergebnisse experimenteller Vagotomien (durch den schwedischen Forscher HOFLUND). Die Schädigung des N. vagus soll direkt durch penetrierende Fremdkörper oder  - häufiger -  durch die resultierenden Entzündungsprozesse (insbesondere Abszessbildungen an der rechten Haubenwand) verursacht werden. Möglicherweise kann das Krankheitsbild aber auch allein durch Störungen der Haubenentleerung ausgelöst werden, was durch Versuche an Schafen, denen Magnete in die Haube gelegt wurden, gezeigt wurde. Bei Rindern sind Verklebungen der Haube im Rahmen von Reticuloperitonitis traumatuica die häufigste Ursache der Störungen der Haubenfunktion.
 

Pathogenese:
Die eigentliche Störung betrifft die Sortierungsfunktion der Haube. Normalerweise entlässt der Netzmagen nur hinreichend zerkleinerte Futterpartikel (< 4 mm Länge) durch die Hauben-Psalter.Öffnung im Zuge des zweiten Teils seiner biphasischen Kontraktion. Bei Störungen gelangen auch gröbere Teile in den Labmagen und sollen dazu führen können, dass der Pylorus verlegt wird. Die bisher übliche Einteilung in vordere und hintere funktionelle Stenose (Transport der Ingesta auf der Höhe der Hauben-Psalter-Öffnung bzw. des Pylorus gestört) bezeichnet nach neuerer Sicht nur aufeinander folgende Stadien eines Prozesses.
Bei hinterer funktioneller Stenose kommt es zum Rückfluss von stark salzsäurehaltigem Labmageninhalt in den Hauben-Pansenraum, was dort zu einem Abfall des pH-Wertes und zum Anstieg der Chlorid-Konzentration (obere Grenze des Normalbereiches ca. 30 mmol/l, nach anderen Angaben 20 mmol/L) führt. Als Folge bleibt im Dünndarm der übliche Austausch von Chlorid- gegen Hydrogenkarbonationen aus, woraus eine metabolische hypochlorämische Alkalose resultiert. Aufgrund der Reduktion der Futteraufnahme und (vermutlich) einer Verschiebung von K+-Ionen vom Extrazellulärraum in den Intrazellulärraum entsteht in dieser Situation außerdem Hypokaliämie (vgl. Alkalose, Azidose und Reflux im Glossar).
 

Klinische Erscheinungen:
Inappetenz über einige Tage, Verringerung der Kotmasse, Erhöhung des Anteils schlecht zerkleinerter Partikel im Kot, Auftreibung des Leibes, wobei der Querschnitt rechts wie eine halbe Birne (engl.: pear) und links wie ein halber Apfel (engl.: apple) aussieht ( „papple“).

RADOSTITS, BLOOD und GAY unterscheiden 3 Syndrome:
a) Pansenüberladung mit Hypermotorik und daraus folgender schaumiger Durchmischung des Panseninhaltes
b) Pansenüberladung mit Atonie
c) Pylorusstenose mit Labmagenüberladung und abomasalem Reflux (mit entsprechenden metabolischen Folgen).

Zu a) Die betroffenen Tiere sind bei Vorstellung meist erkennbar länger krank (abgemagert), der Pansen ist aber voll, und es ist sehr frequente, aber wenig intensive Pansenmotorik zu hören.. Manchmal besteht ein systolisches Geräusch, das auf der Höhe der Inspiration am stärksten ist und nach Entleerung des Pansens verschwindet (Kompression des Herzens und Deformation der Klappen?).

Zu b) Tritt meist in der Hochträchtigkeit auf. Die Pansenmotorik ist stark herabgesetzt. (Dies wird in der amerikanischen Literatur mitunter als "Typ IV" bezeichnet.)

Zu c) Der Labmagen kann von rektal zu fühlen sein.

Möglicherweise sind die verschiedenen Syndrome nur Stadien eines Krankheitsprozesses.
 

Diagnostik:
Vorbericht, klinische Erscheinungen. Im Zweifelsfall bei wertvollen Tieren diagnostische Laparoruminotomie. Die Hauben-Psalter-Öffnung ist bei vorderer funktioneller Stenose schlaff offen. Die Bezeichnung als "Stenose", die eine Verengung eines Durchlasses suggeriert, ist also nicht korrekt. (Kommentar: auch bei gesunden Tieren kann die Hauben-Psalter-Öffnung nach einiger Manipulation für eine Hand passierbar sein. Entscheidend für die Beurteilung ist der engste Stand, der bei Beginn der Untersuchung festgestellt wird.)
 

Differentialdiagnosen:
Mechanische Stenosen, z.B. Verlegung der Hauben-Psalter-Öffnung oder des Pylorus durch gefressene Nachgeburt oder Schnurknäuel.
 

Prognose:
Insgesamt nicht gut. Es sind noch keine zuverlässigen prognostischen Indikatoren bekannt. Daher entweder gleich Schlachtung oder versuchsweise Behandlung.
 

Therapie:
Entleerung der Vormägen, ggf. Korrektur von Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes. Der Wert einer temporären Pansenfistel wird unterschiedlich eingeschätzt.
 

Prophylaxe:
Keine bekannt. Prompte und sachgerechte Behandlung von Fremdkörpererkrankungen.
 

PubMed
 
 
 


Letzte Änderung: 07.03.2017


home-page      Inhaltsverzeichnis
© Copyright 2017, Klinik für Wiederkäuer, Ludwig-Maximilians-Universität München