Trichophytie
Kälberflechte, "Teigmaul", "Glatzflechte", "ringworm"
 
 W. Klee
 
 

Das Wichtigste in Kürze

Durch Trichophyton verrucosum, seltener Trichophyton mentagrophytes, eventuell auch Microsporum canis verursachte Dermatomykose. Wahrscheinlich häufigste Hautkrankheit des Rindes. Bevorzugt Jungtiere befallen. Stallenzootie. Zooanthroponose! Die betroffenen haarlosen Bezirke sind rundlich bis oval, scharf abgesetzt und mit schuppig-krustigen, hellgrauen Belägen. Bei Rindern kaum Juckreiz. Diagnose anhand des klinischen Bildes, sonst Hautgeschabsel. Therapie: lokale Anwendung von Antimykotika. Stall- und Gerätedesinfektion ist sinnvoll. Prophylaktisch kommen Lebend-Vakzinen und inaktivierte Vakzinen zum Einsatz, die zum Teil auch zur therapeutischen Verwendung zugelassen sind.


 

Prüfungsstoff
 
 

Ätiologie

Diagnostik

Epidemiologie und Bedeutung

Differentialdiagnose

Pathogenese

Therapie

Klinische Erscheinungen

Prophylaxe


 

Ätiologie:
Dermatomykose durch Trichophyton verrucosum, seltener Tr. mentagrophytes. (Die Taxonomie ist uneinheitlich und kompliziert. Manche Autoren sprechen von einem Tr. mentagrophytes-Komplex, dessen Spezies und Stämme nur mit molekularbiologischen Methoden differenziert werden können.) Nach norwegischen Untersuchungen kann bei Rindern auch Microsporum canis vorkommen. Insofern ist zu überlegen, ob nicht allgemeiner von Dermatophytose gesprochen werden sollte. In der klinischen Humandermatologie hat sich der Begriff Tinea (+ regionale Bezeichnung, also z. B. T. capitis, T. faciei, T. barbae etc. Tinea [lat.] = Holzwurm, Motte) durchgesetzt, weil eine ätiologische Differenzierung auf der Basis von Art und Lokalisation der Veränderungen allein nicht möglich ist.
Die hier interessierenden Trichophyten gehören zu den so genannten zooanthropophilen, d.h., sie leben und wachsen nur in der Haut von Tieren, einschließlich des Menschen, was nicht ausschließt, dass ihre Sporen jahrelang in der Umgebung überleben können.
 

Epidemiologie und Bedeutung:
Diese wahrscheinlich häufigste Hautkrankheit der Rinder ist auf den Menschen übertragbar. (Bei juckenden Hauterkrankungen sollten Tiermedizinstudierende auch an Trichophytie denken und dem Arzt ggf. Tier- und besonders Rinderkontakt melden.) Ihre Bedeutung erhält die Krankheit zum einen aus ihrer Eigenschaft als "Zooanthroponose", zum anderen aus der Tatsache, dass die Häute betroffener Tiere für die Lederindustrie von geringerem Wert sind. Die Schäden zeigen sich allerdings erst beim Gerben.

Befallen sind vorwiegend Kälber und Jungrinder, es können aber auch erwachsene Rinder erkranken, wenn sie in der Jugend nicht infiziert waren. Die auch beim Menschen zu beobachtende höhere Anfälligkeit juveniler Individuen wird von manchen Autoren dadurch erklärt, dass diese noch nicht wie erwachsene Individuen einen stabilen Säuremantel auf der Haut entwickelt haben. Beim Rind tritt die Krankheit häufig als Stallenzootie auf. Verletzungen der Haut begünstigen das Angehen der Infektion. Bei Schafen und Ziegen kommt die Erkrankung seltener vor.

Die Übertragung erfolgt entweder direkt, also von Tier zu Tier, mitunter auch von völlig gesund erscheinenden "Trägern", oder aber indirekt (z. B. über Gerätschaften wie automatische Bürsten).
 

Pathogenese:
Der in den verhornten Hautschichten lebende, also keratophile Pilz befällt die Haarfollikel und wächst später in den betreffenden Haarschaft oder in seinen Bulbus (Haarzwiebel) ein, was zum Haarausfall führt. Zu den Virulenzfaktoren der Erreger primärer Mykosen gehören u.a. Keratinasen. Die Pilze verursachen meist nur leichte Entzündungserscheinungen; dabei führen Toxine und Allergene zu Exsudation, Krustenbildung und Haarausfall. Die Veränderungen dehnen sich zentrifugal aus, was möglicherweise damit zu tun hat, dass die Pilze aerob sind, also immer sozusagen vor der Reaktion der Haut her wachsen müssen.

Prädisponierend wirken feuchtwarmes Stallklima, Gedränge in der Aufstallung, Mangel an Vitamin A, anderweitige Resistenzminderungen, insbesondere solche der Haut. So kommen am gleichen Tier mitunter Papillomatose oder Räude zusammen mit Trichophytie vor. Vorzugslokalisationen sind bei Jungrindern Kopf und Hals, doch kann auch der übrige Körper betroffen sein. Bei erwachsenen Rindern befällt Trichophytie weniger den Kopf, dafür mehr den Körper. Mechanisch irritierte Stellen werden eher befallen. Verschleppung und "Einimpfung" der Sporen durch Läuse ist wahrscheinlich.

Inkubation: Eine bis vier Wochen; maximale Ausbildung nach vier Wochen; Spontanheilung nach einem bis drei Monaten mit nachfolgender mehr oder weniger stabiler Immunität.
 

Klinische Erscheinungen:
Charakteristisch sind die rundlich-ovalen, scharf abgesetzten, von schuppig-krustigen, hellgrauen Belägen bedeckten haarlosen Bezirke, die in schweren frischen Fällen ausnahmsweise nässen, oder sogar bluten können, aber in der Regel nicht nennenswert jucken.

Tiefgreifende und (auch im Sommer) lang anhaltende Veränderungen sollen durch Tr. verrucosum variatio ochraceum verursacht werden.
Beim Menschen ist die Krankheit mit erheblichem Juckreiz verbunden und neigt zur Pustelbildung.
 

Diagnostik:
Die Krankheit kann im Allgemeinen klinisch hinreichend sicher diagnostiziert werden. In Zweifelsfällen kann eine Schnelldiagnostik an einem Geschabsel vorgenommen werden: Etwas Hautgeschabsel in einem Tropfen KOH 20 % vorsichtig erwärmen und dann bei gedrosseltem Licht unter dem Mikroskop betrachten.
Wird eine kulturelle Untersuchung gewünscht, sollte das Material in einer Tüte oder einem Petri-Schale eingesandt werden, nicht aber in einem luftdicht verschlossenen Behälter, weil es sonst leicht zur Überwucherung durch Bakterien oder Schimmelpilze kommen kann.
 

Differentialdiagnosen:
Dermatophilose, Ektoparasitosen, Parakeratose, allergische Ekzeme.
 

Therapie:
Vor allem zur Verhinderung der Ausbreitung auf nachwachsende Tiere oder der Übertragung auf den Menschen (Plastikhandschuhe!) wichtig.
Lokale Anwendung von Imidazolen und Polyenantibiotika. Oral soll auch Terbinafin wirksam sein, ist aber in D nicht für Lebensmittel liefernde zugelassen.
Die Impfung erkrankter Tiere (s.u.) soll den Krankheitsverlauf verkürzen.

Zur Stall- und Gerätedesinfektion eignen sich Chlorkalk (1 %ig), Natriumhypochlorit (5 %ig), alkalische Formalinlösung (Formalin 2 %ig mit 1 % NaOH-Zusatz) in Mengen von 1 L/qm. Holzteile sollten mit Holzschutzmitteln behandelt werden. Die Vorschriften über den Umgang mit diesen Substanzen sind zu beachten.
 

Prophylaxe:
Es befinden sich mehrere Vakzinen im Handel (Lebend-Vakzinen auf der Basis des russ. Stammes LTF 130 und inaktivierte Vakzinen). Nach norwegischen Untersuchungen hat die flächendeckende Impfung durchschlagende Wirkung auf die Prävalenz. So sank die Befallsquote der Bestände in einem Gebiet nach sechs Jahren allgemeiner Impfung von 70 auf 0 % und blieb so über fünf Jahre.
Es gibt jedoch auch Berichte aus der Praxis, wonach die prophylaktische Wirkung von Vakzinen nicht befriedigend war. Als Ursache soll vor allem Unvollständigkeit der Impfung in Frage kommen. Die Impfung muss über mehrere Jahre konsequent bei allen Rindern eines Bestandes durchgeführt werden, danach bei den neugeborenen und zugekauften.
 

PubMed
 
 

Weiterführende Informationen
 



Letzte Änderung: 05. 10. 2016



home-page      Inhaltsverzeichnis
© Copyright 2016, Klinik für Wiederkäuer, Ludwig-Maximilians-Universität München