Injektionsanästhesie / TIVA
M. Metzner

Das Wichtigste in Kürze
Die Injektionsanästhesie wird vor allem bei Kälbern, Jungrindern, kleinen Wiederkäuern und Neuweltkameliden als Methode zur Allgemeinanästhesie angewendet.
Bei länger andauernden Eingriffen empfiehlt sich die Verwendung einer Dauertropfinfusion.

Bei der totalen intravenösen Injektionsanästhesie (TIVA) werden alle zum Erreichen der allgemeinen Anästhesie notwendigen Präparate intravenös verabreicht. In der Rindermedizin wird hierfür am häufigsten die Kombination von Xylazin (α2-Adrenorezeptor-Agonist) und Ketamin (Neuroleptanalgesie) verwendet.
Während Xylazin vor allem als Sedativum mit analgetischem und muskelrelaxierendem Effekt verwendet wird, besitzt Ketamin beim Rind einen guten analgetischen Effekt. Zusätzlich sollten eine Lokalanästhesie und die Verabreichung eines Schmerzmittels (s.u.) erfolgen. Die TIVA kann entweder mittels Spritze in die Jugularvene oder über einen Venenkatheter (z.B.: in eine Ohrvene) oder auch als Dauertropf durchgeführt werden.
IIn allen Fällen ist es ratsam die von der AVA (Association of Veterinary Anaesthetists, Barcelona 2008) aufgestellten Regeln zu beachten und sicherzustellen, dass sie im Ernstfall auch eingesetzt werden können:

1. Sicherung der Atemwege (Intubation),
2. Möglichkeit zur Verabreichung von Sauerstoff (Flasche mit medizinischem Sauerstoff)
3. Möglichkeit zur (manuell) kontrollierten Beatmung (Ambu Beutel)
4. Sicherung eines intravenösen Zugangs (Ohrvene)
5. Möglichkeit zur kardiopulmonalen Wiederbelebung (Adrenalin und Doxapram) 

Da Xylazin eine sehr gute Sedation bewirkt, erfolgt zur Einleitung zunächst die Xylazingabe intramuskulär (i.m.). Nach Eintritt der Wirkung kann dann ggf. auch ohne große Abwehrbewegungen seitens des Tieres ein Venenverweilkatheter gelegt werden, über den dann Ketamin und ggf. Nachdosierungen oder eine Dauertropfinfusion erfolgt.

Bei allen Patienten, aber besonders bei bereits wiederkauenden Rindern (Gasbildung im Pansen), sollte - wo möglich - zur Verminderung des Risikos von Regurgitieren eine mindestens 12-stündige Nahrungskarenz eingehalten werden.

1. Injektionsanästhesie mittels Spritze

Tierart Indikation Präparate Anwendung ml/10kg
Kalb



Einleitung:


Erhaltung:



Xylazin 2%
Ketamin 10%

Xylazin 2%
(alle h)
Ketamin 10%
(alle 10 min.)

0,2 mg/kg i.m.
2 - 5 mg/kg i.v

0,2 mg/kg i.m.

1 - 2 mg/kg i.v
.
0,1 ml
0,2 - 0,5 ml

0,1 ml

0,1 - 0,2 ml
Schaf


Einleitung:

Erhaltung:

Xylazin 2%
Ketamin 10%

Ketamin 10%

0,1 - 0,2 mg/kg i.m.
4 mg/kg i.v

2 mg/kg i.v.

0,05 - 0,10 ml
0,4 ml

0,2 ml
Ziege

Einleitung:

Erhaltung:

Xylazin 2%
Ketamin 10%

Ketamin 10%

0,05 mg/kg i.m.
4 mg/kg i.v

2 mg/kg i.v.

0,025 ml
0,4 ml

0,2 ml

Lama


Einleitung:


Erhaltung:

Butorphanol 1%
Xylazin 2%
Ketamin 10%

Ketamin 10%

0,03 mg/kg i.m. oder i.v.
0,3 mg/kg i.v oder i.v.
3 mg/kg i.v oder i.v
.
1,5 mg/kg i.m.

0,03 ml
0,15 ml
0,30 ml

0,15 ml

Alpaka


Einleitung:


Erhaltung:

Butorphanol 1%
Xylazin 2%
Ketamin 10%

Ketamin 10%

0,04 mg/kg i.m.
0,4 mg/kg i.m
4 mg/kg i.m.

2 mg/kg i.m.

0,04 ml
0,20 ml
0,40 ml

0,20 ml

Xylazin, Ketamin und Butorphanol können bei gleichem Applikationsweg in einer Spritze gemischt werden

Die für die Einleitung angegebene Dosierung reicht für ca. 10 Minuten aus. Deshalb muss nach Beginn der Anästhesie spätestens nach 10 Minuten nachdosiert werden (Erhalt), damit  ein ausreichend anästhetischer Effekt erhalten bleibt. Im Verlauf des Eingriffs kann das Applikationsintervall eventuell verlängert werden (individuell an Anästhesietiefe des Patienten anpassen!!!).

Bei Risikopatienten (starke Störung des Allgemeinbefindens, hohes Alter, Schock, Adipositas…) sollte mit der kleinstmöglichen Dosierung (z.B. halbe Dosis) begonnen werden und notfalls nachdosiert werden.

Zur Analgesie bei schmerzhaften Eingriffen wird immer ein nicht steroidales Antiphlogistikum vor Beginn der OP intravenös verabreicht (wenn möglich mindestens 30 Minuten vor OP-Beginn, besser 60 Minuten, Indikationen der Präparate beachten):

Meloxicam:   0,5 mg/kg i.v.
Flunixin:         1,1 mg/kg i.v.
Ketoprofen:   3,0 mg/kg i.v.
Metamizol:     40 mg/kg i.v.

Bei kleinen Wiederkäuern zusätzlich: 3 ml Tetanus-Serum s.c. !!!

Bei tragenden Tieren im letzten Drittel der Trächtigkeit kann vor Xylazingabe Clenbuterol verabreicht werdenen, damit wird das Risiko eines Abortes (durch die Uteruskontraktionen stimulierende Wirkung des Xylazin) verringert.

2. Ketamindauerinfusion:

Es werden im Prinzip dieselben Dosierungen wie für die Applikation mittels Spritze gewählt. Die Einleitung erfolgt nach den dort angegebenen Dosierungen. Für die Erhaltung wird eine Mischung aus physiologischer Kochsalzlösung, Xylazin und Ketamin hergestellt.
Auch hier ist zusätzlich die Verabreichung von Schmerzmitteln notwendig.

Beispiel:

Ein Kalb mit 50 kg KLM soll zum Erhalt 1 mg Ketamin/kg und pro 10 Minuten für den Erhalt bekommen, man hat eine 250 ml Flasche mit steriler, pyogenfreier, isotoner Kochsalzlösung und das Ketamin liegt in 10%iger Lösung vor:

250 ml NaCl 0,9 % + 10 ml Ketamin (10 %) => ~ 4 mg/ml
20 Tropfen => ~1 ml

50 kg Kalb: 1 mg x 50 kg = 50 mg sollen in 10 Minuten gegeben werden
50 mg / 4 mg/ml => 12,5 ml über 10 Minuten (=> 12,5 x 20 Tropfen = 250 Tropfen)
250 Tropfen / 10 Minuten
25 Tropfen / Minute => ~ 1 Tropfen / 2 Sek

3. Allgemeine Maßnahmen

Narkosemonitoring: Hier gelten die selben Regeln wie bei der Inhalationsanästhesie (s.d.)

Infusionen: Tiere ohne Störung des Allgemeinbefindens: 5 ml / kg KLM pro Stunde (Verbesserung der Hämodynamik); bei dehydrierten Tieren (wo möglich) Rehydratation vor Beginn des Eingriffs; bei Kreislaufschock während des Eingriffs: Erhöhung des Infusionsvolumens

Wärmezufuhr/Wärmeerhalt: Die Absenkung der Körpertemperatur kann Kreislauf- und Atemdepression bewirken und erhöht das Risiko für Infektionen. Wärmematten können ddas Absinken der Körpertemperatur kompensieren. Lagerung auf wärmeisolierenden Materialien (Isomatte, Luftpolsterfolie).

Verabreichung von Sauerstoff: Durch die Reduktion des Atemminutenvolumens bei spontan atmenden Patienten kommt es während der Narkose zum Absinken des O2- und zum Anstieg des CO2-Partialdrucks. Die Verabreichung von O2 (z.B. über Schlauch in Nasengang) kann die Sauerstoffaufnahme verbessern. Bei Hypoventilation muss zusätzlich beatmet werden (z.B.: Ambubeutel).

Augensalbe zum Anfeuchten der Hornhaut verwenden.