9 Enzymdiagnostik
9.1 Allgemeines
Abkürzungen der Enzymnamen
AST = Aspartat-Aminotransferase (E.C. 2.6.1.1) (Früherer Name GOT = Glutamat-Oxalazetat-Transferase)
CK = Kreatinkinase (E.C. 2.7.3.2)
E.C. = Enzyme Commission, internationales Gremium, das eine Klassifikation und Nomenklatur für Enzyme aufgestellt hat. Die erste Gruppe der Klassifikation sind Oxidoreduktasen, die zweite Transferasen.
GGT = Gamma-Glytamyl-Transferase (E.C. 2.3.2.2)
GlDH oder GLDH = Glutamat-Dehydrogenase (E.C. 1.4.1.3)
LDH = Laktat-Dehydrogenase (E.C. 1.1.1.27)
Enzymdiagnostik findet im klinischen Labor breite Anwendung. In den meisten Fällen werden die Aktivitäten so genannter plasmaunspezifischer Enzyme (also solcher, die ihre eigentliche Funktion in Zellen verschiedener Organe erfüllen) im Plasma oder Serum gemessen. Da die Verteilung der Enzyme auf verschiedene Organe unterschiedlich ist, werden manche Enzyme als „organspezifisch“ angesehen. Erhöhungen ihrer Aktivitäten treten bei akuten (!) Schädigungen von Zellen der jeweiligen Organe (entweder lediglich Schädigung der Zellmembran oder aber völliger Zelluntergang) auf. Nach einer kurzzeitigen Schädigung nimmt die im Plasma (oder Serum) messbare Aktivität nach dem initialen Anstieg mit einer gewissen Gesetzmäßigkeit ab, die durch die Existenz einer mehr oder weniger konstanten Halbwertszeit gekennzeichnet ist. Da verschiedene nach Schädigung eines Organs ausgetretene Enzyme unterschiedliche biologische Halbwertszeiten (zur Bestimmung von Halbwertszeiten, s. ####) haben, kann (theoretisch) aus dem Verhältnis ihrer Aktivitäten auf die seit der Schädigung verflossene Zeit geschlossen werden.
Die kürzeste biologische Halbwertszeit der meisten Enzyme ist recht kurz, so zum Beispiel etwa 4 h für CK (gemessen nach Injektion von Muskelextrakten), Das bedeutet, dass die im Plasma messbare CK-Aktivität 24 h nach einer „punktuellen“ Noxe quergestreifter Muskulatur, die zu Festliegen des Tieres Anlass gegeben hat) nur noch unbedeutend erhöht sein kann, obwohl sie unmittelbar nach der Noxe sehr hoch war, z. B. wäre der Abfall von 24.000 U/L auf unter 400 U/L theoretisch möglich. Die Aktivität wäre damit in einem Bereich, der auch durch (anderweitig bedingtes) Festliegen verursacht sein könnte.
Manche „Enzyme“ sind in Wirklichkeit eine Gruppe von so genannten Isoenzymen, z. B. CK, AST und LDH.
Bei der Bewertung von Angaben zu Enzymaktivitäten ist zu berücksichtigen, ob die Aktivität bei 25 °C oder bei 37 C gemessen wurde. Im letzteren Fall ist sie höher. International üblich ist die Messung bei 37 °C.
Grenzen der Enzymdiagnostik
1. Grenzen der Sensitivität
Die im Plasma/Serum messbare Aktivität von plasmaunspezifischen Enzymen unterliegt einer Dynamik. Nach einer akuten Schädigung der Integrität von Zellen eines bestimmten Organs kommt es zu einem raschen Anstieg der im Plasma oder Serum messbaren Aktivität der aus den geschädigten Zellen ausgetretenen Enzyme. Die Höhe des Maximums hängt vom Umfang des Schadens ab, liegt aber bei nennenswerten Schäden stets über dem oberen Bereich des Referenzbereichs. Der Wert würde daher als „erhöht“ eingestuft. Die ausgetretenen Enzymmoleküle werden inaktiviert und abgebaut. Ihre im Plasma/Serum messbare Aktivität sinkt also, wobei die Geschwindigkeit dieses Prozesses zum einen eine spezifische Eigenheit des Enzyms widerspiegelt (HWZ) und zum anderen von etwaiger anhaltender Freisetzung abhängt. Irgendwann wird jedoch die im Plasma/Serum messbare Aktivität in den für das jeweilige Enzym geltenden Referenzbereich sinken. Ein danach gemessener Wert würde daher als unauffällig eingestuft, bei der Diagnostik also „durch die Lappen gehen“. Formal betrachtet bedeutet das, dass die Sensitivität des Laborparameters im Hinblick auf den auslösenden Prozess sinkt.
2. Grenzen der Spezifität
a) Grenzen der Organspezifität: Nur wenige Enzyme werden (fast) ausschließlich in einem Organ exprimiert (Beispiel: GIDH → Leber), so dass ein Anstieg ihrer Aktivität im Plasma/Serum der Schädigung dieses einen Organs zugeordnet werden kann.
Viele andere Enzyme kommen in mehreren Organen in nennenswerter Konzentration vor (Beispiel: AST). Ein Anstieg ihrer Aktivität im Plasma/Serum kann daher entweder nicht oder nur mit Hilfe weiterer Bestimmungen (bei AST z. B. CK) zugeordnet werden.
b) Grenzen der Prozessspezifität
Anhand des Anstiegs der Aktivität eines Enzyms im Plasma/Serum kann meist nicht auf die Art des die Zellintegrität störenden Prozesses geschlossen werden.
3. Grenzen der prognostischen Validität
Der Austritt von Enzymen aus den Zellen eines Organs sagt wenig über die aktuelle oder künftige Funktionsfähigkeit des Gesamtorgans.
Beispiele für den Einsatz der Enzymdiagnostik zum Nachweis akuter Zellschädigungen:
CK (quergestreifte Muskulatur), AST (Muskulatur, Leber), GlDH (Leber), Pepsinogen (Labmagen),
GGT im Harn (Tubulusepithelien)
Daneben gibt es weiter Einsatzgebiete der Enzymdiagnostik:
Hinweis auf Syntheseleistungen:
Messung der Aktivität plasmaspezifischer Enzyme
Beispiele:
ChE, Blutgerinnungsfaktoren (Leber)
Hinweis auf Mangel:
Messung der Aktivität von Enzymen, für die bestimmte Elemente oder Verbindungen notwendig sind
Beispiele:
GSH-Px in den Erythrozyten (Se), Transketolase in den Erythrozyten (Thiamin)
Hinweis auf Intoxikationen:
Messung der Aktivität spezifisch gehemmter Enzyme
Beispiel:
J-ALAD in den Erythrozyten (Pb)
Kontrolle der Kolostrumversorgung (s. dort)