7.6 Azotämie: (s. auch Nierenfunktionsproben)

Definition: Erhöhung des Plasmaspiegels (siehe hierzu auch „Konzentration“) harnpflichtiger stickstoffhaltiger Substanzen (im wesentlichen Harnstoff und Kreatinin).

Zu unterscheiden sind prärenale A. aufgrund von Dehydratation oder Erhöhung der Anflutung, renale A. aufgrund von Störungen der Nierenfunktion sowie postrenale A. aufgrund von Harnabflussstörungen.

Zur prärenalen Azotämie:
Bei Monogastriern kann allein aufgrund einer eiweißreichen Mahlzeit der Harnstoffspiegel vorübergehend ansteigen. Dies hat natürlich keinerlei Krankheitswert. Wichtigste Ursache für prärenale Azotämie ist die oben erwähnte Dehydratation. Wenn der endogene Anfall von Kreatinin pro Körpermasse und Zeit konstant bleibt, der „Abfluss“ sich aber nicht vergrößert, muss die Konzentration von Kreatinin bei Dehydratation ansteigen, weil sein Verteilungsraum (im Fall von Harnstoff und Kreatinin ist das das gesamte Körperwasser) kleiner wird.

Bei geringen Harnflussraten, wie sie bei Dehydratation entstehen, sinkt die Ausscheidung von Harnstoff, weil die Hst-Moleküle mehr Gelegenheit haben, durch die Tubuluswand zurück zu diffundieren als bei hohen Harnflussraten. Bei prärenaler Azotämie sollte also der Anstieg der Harnstoffkonzentration relativ größer sein als der Anstieg der Kreatininkonzentration, da Kreatinin tubulär nicht rückresorbiert wird. In der folgenden Tabelle ist dies anhand konkreter Daten eines Kalbes mit Durchfall demonstriert.

Tab. 7.6.1: Konzentrationen von Harnstoff und Kreatinin bei einem Kalb mit Durchfall vor und nach Rehydratation durch Infusion

Harnstoff (mmol/L)

Kreatinin (µmol/L)

Harnstoff:Kreatinin

Hämatokrit (%)

Einlieferung

24,7

284

87

43

24 h später (nach Infusion)

10,4

224

46

34

Das Verhältnis der Konzentrationen von Harnstoff und Kreatinin ist zunächst deutlich erhöht. Es liegt üblicherweise unter 50 (24,7 mmol/L = 24700 µmol/L).

Bei einem Hämatokrit von 34 % (s. Beispiel in der Tabelle) sind in einem Liter Blut 340 mL Erythrozyten und 660 mL Plasma enthalten. Von diesem 660 mL Plasma sind 209 mL (das sind 32 %) verloren gegangen, also nur noch 451 mL vorhanden, wenn die 340 mL Erythrozyten einen Hämatokrit von 43 % ergeben. Mit einem Liter Blut, das die Nieren durchströmt, ist also 32 % weniger filtrierbare Flüssigkeit enthalten, und bei gleich bleibender Durchblutung der Nieren (in Volumen Blut pro Zeiteinheit) muss die GFR sinken. Dies lässt sich anhand von Daten desselben Kalbes zeigen. Polyfructosan-S ist ein synthetisches Polyfruktose-Molekül, das sich nach intravenöser Injektion im Extrazellulärraum verteilt und durch glomeruläre Filtration ausgeschieden wird. Seine Clearance entspricht der GFR.


Tab. 7.6.2: Polyfructosan-S-Clearance bei einem Kalb mit Durchfall vor und nach Rehydratation durch Infusion

Polyfructosan-S-Clearance (mL/min/kg)

Einlieferung

2,0

24 h später (nach Infusion)

2,8

Die Reduktion der GFR von 2,8 auf 2,0 mL/min/kg bedeutet einen Abfall um 29 %, was praktisch identisch ist mit der oben errechneten Abnahme des Plasmaanteils im Blut.

Zur renalen Azotämie:
Sowohl bei akutem als auch bei chronischem Nierenversagen ist die GFR reduziert, mit entsprechendem Anstieg der Blutspiegel von Harnstoff und Kreatinin. Das Verhältnis der beiden Konzentrationen ist dabei nicht deutlich verändert.

Zur postrenalen Azotämie:
Bei Störungen des Harnabflusses im Bereich der Blase oder der Urethra kommt es zum Rückstau von Harn in die Nieren mit Drosselung der Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen und mitunter zum Austritt von Harn in die Bauchhöhle mit nachfolgender Rückdiffusion von harnpflichtigen Substanzen ins Blut.