1 Einleitung

Indikationen für Labordiagnostik
Praktische Medizin und Tiermedizin sind handlungsorientierte Disziplinen, in denen Entscheidungen darüber gefällt werden müssen, ob gewisse Interventionen entweder ganz oder nicht durchgeführt werden sollen. Informationen dienen dazu, diese Entscheidungen zu erleichtern oder sicherer zu machen. Die eigentliche Indikation für Labordiagnostik besteht daher in der Verbesserung oder Erleichterung des klinischen Managements, wofür in Tabelle 1.1.1 einige Beispiele gegeben werden:

Tab. 1.1.1: Beispiele für den Einsatz von Labordiagnostik

Diagnostik

Prozess oder Zustand

Beispiele

Unmittelbar interventionsbedürftige Zustände

Hypokalzämie, Hypoglykämie, Azidose

Organfunktionsstörung

EFNa (tubuläre Rückresorptionskapazität)

Organschädigung

„Leberenzyme“, Creatinkinase,

Ausschluss von Differenzialdiagnosen

Creatinkinase, Glutartest

(subklinische) Unterversorgung

Mg, Se, „metabolische Profiltests“, Transketolase

(subklinische) Intoxikation

Pb

Verlaufskontrolle

Bilirubin, freie Fettsäuren, Harnstoff, Hämatokrit

Prognostik

Zunehmende kardio-respiratorische Insuffizienz

L-Laktat bei Tieren mit Bronchopneumonie

 

Schock

L-Laktat bei rechtsseitiger Labmagendrehung

Grundsätzlich sollte vor Einleitung einer Laboruntersuchung eine Frage stehen, deren Beantwortung das weitere klinische Vorgehen beeinflussen kann. Eine Untersuchung ohne mögliche Konsequenzen sollte nicht durchgeführt werden. Auch die Dauer einer Untersuchung ist von praktischer Bedeutung, denn eine Untersuchung zur Unterstützung des klinischen Managements eines bestimmten Patienten hat nur Sinn, wenn das Ergebnis zu einer Zeit vorliegt, in der eine sinnvolle Intervention möglich ist. Vor allem in der Nutztierpraxis spielen auch die Kosten eine Rolle. Daneben gibt es noch die Aspekte der Forschung, der Lehre (Illustration pathophysiologischer Vorgänge) sowie der forensischen Absicherung (in der Buiatrik bisher von untergeordneter Bedeutung). Nicht unmittelbar mit dem klinischen Management verbunden, aber trotzdem von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind berufliche Befriedigung und letztlich auch Image einer Praxis.

Präanalytik
Mit Präanalytik ist alles gemeint, was der eigentlichen Laboruntersuchung vorgelagert ist. Dabei geht es unter anderem um folgende Aspekte:
Interpretation von Laborergebnissen
Hier gibt es verschiedene Probleme, von denen einige hier erwähnt werden sollen. Mitunter entsteht Verwirrung, weil verschiedene Einheiten für einen Parameter in Mitteilungen von Labors oder in der Literatur angegeben werden (s.u.). Verschiedene Labors können verschiedene Referenzintervalle (s. Kapitel 4) für einen bestimmten Parameter angeben. Wenn Laborwerte selten angefordert (oder bestimmt) werden, besteht die Gefahr, dass ihre diagnostische oder prognostische Validität (Aussagekraft) überschätzt wird, etwa nach dem Motto, dass sich der Aufwand gelohnt haben muss. In formaler Hinsicht kann die Validität von Laborwerten wie diejenige klinischer Befunde unter den Gesichtspunkten Sensitivität, Spezifität und prädiktive Werte beurteilt werden (s. Skriptum über Klinische Epidemiologie). Neben der diagnostischen Sensitivität und Spezifität gib es auch die Aspekte der analytischen Sensitivität und Spezifität. Analytische Sensitivität ist die Angabe der unteren Nachweisgrenze des Verfahrens. Analytische Spezifität gibt an, inwieweit die Methode nur die gesuchte Substanz erfasst. Zur Qualitätssicherung im klinischen Labor gehören die Überwachung von Präzision und Richtigkeit (s. Kapitel 18). Laborwerte stellen Schnappschüsse von mitunter sehr dynamischen (patho)physiologischen Prozessen dar. Entsprechend vorsichtig sollten sie interpretiert werden.

Einheiten
Die Konzentration der meisten Substrate wird hier in den SI-Einheiten mmol/L oder µmol/L angegeben. Diese Einheiten vermitteln eine Vorstellung von den Relationen der Konzentrationen verschiedener Substrate in den Körperflüssigkeiten, z.B. Harnstoff 5 mmol/L, Kreatinin 100 µmol/L - Relation 50:1. Enzymaktivitäten werden in U/L angegebn (Ausnahme GSH-Px). Die Einheit ncatal für die Aktivität von Enzymen hat sich in der klinischen Chemie (bisher) nicht durchgesetzt. 
Kg und g sind Einheiten der Masse, nicht des Gewichts. Gewicht ist die Kraft, mit der eine Masse von einer anderen angezogen wird, und ist veränderlich. So beträgt es auf dem Mond nur ca. 1/6 der Größe auf der Erde. Einheit des Gewichts ist Newton (früher pond).

Konzentrationen
Konzentrationen geben in der Regel eine Relation zwischen Masse und Volumen wieder, die zum Entnahmezeitpunkt in dem Raum herrschte, aus dem die Probe entnommen wurde. (Wenn sich Masse und Volumen auf denselben Stoff beziehen [z. B.Urin], handelt es sich bei Masse/Volumen um die Dichte und nicht um das "spezifische Gewicht".) Mathematisch stellen Konzentrationen Brüche dar, deren Größe in manngifacher Weise verändert werden kann, weil in offenen Systemen (wie lebenden Körpern) beide Größen sowohl Zu- als auch Abfluss, jeweils mit variablen Raten, unterliegen. So kann beispielsweise die Konzentration von Harnstoff im Extrazellulärraum ansteigen, wenn der Zufluss von Harnstoff ins System ansteigt und alle anderen Größen konstant bleiben, aber ebenfalls, wenn der Abfluss von Flüssigkeit aus dem Verteilungsraum (bei Konstanz der übrigen Größen) ansteigt, das Verteilungsvolumen also "schrumpft".

 

Letzte Änderung: 11. 10. 2015