Exstirpation periarterieller Hämatome
M. Metzner

Das Wichtigste in Kürze
Periarterielle Hämatome können sich nach dem Durchreißen der Nabelschnur entwickeln, wenn die beiden Nabelarterien sich zurückziehen, das Lumen sich dabei jedoch nicht ausreichend verschließt. Das aus den Enden austretende Blut kann nach außen über den Nabel austreten oder retrograd zwischen Arterien und den sie umgebenden Serosafalten aufsteigen und dort periarterielle Hämatome ausbilden. Diese sollten möglichst rasch entfernt werden, am besten, bevor sie infiziert sind.
Der Eingriff ist delikat, weil bei der Exstirpation die dünnen, die Hämatome umgebenden Serosafalten (Peritoneum), nicht verletzt werden dürfen. Deshalb wird in der Regel auch ein Teil der angrenzenden Harnblase mit entfernt. Intraabdominale Verklebungen und Verwachsungen mit den Nabelstrukturen können den Eingriff erheblich komplizieren.

1. Pathogenese und Indikation

Kurz nach dem Durchreißen der Nabelschnur ziehen sich die beiden Nabelarterien in der Amnionscheide und weiter nach intraabdominal 'ziehharmonikaartig' zurück. Durch Kontraktion der glatten Muskulatur in den Arterienwänden wird das Arterienlumen verengt und schließlich verschlossen. Erfolgt dieser Verschluss unvollständig, tritt weiterhin Blut aus den Arterienstümpfen aus und läuft entweder über die Amnionscheide nach außen ab oder steigt retrograd zwischen Arterienwand und den sie umgebenden Serosafalten (Peritoneum) auf. Dabei können Blutkuchen mit einem Durchmesser von bis zu mehreren Zentimetern entstehen. Die Hämatome bilden einen guten Nährboden für die Vermehrung von Bakterien. Wenn sie besonders groß sind, dann sollten sie in den ersten drei Lebenstagen exstirpiert werden, bevor es zu einer aufsteigenden Infektion gekommen ist.  Infizierte Hämatome müssen exstirpiert werden, wenn es nicht gelingt durch die Verabreichung von Antiinfektiva eine Heilung zu erzielen. Bei länger bestehender Infektion kommt es zu Verklebungen und Verwachsungen mit angrenzenden Organen  (Netz, Därmen, Darmgekröse, Pylorus, Labmagen, was die Exstirpation erheblich erschweren kann.

Die anatomischen Verhältnisse der Nabelstrukturen und deren Involution werden gesondert beschrieben.

2. Diagnostik

Die Diagnostik erfolgt durch tiefe abdominale Palpation. Die periarteriellen Hämatome können als dicke, strangartige Gebilde, die oft erst weiter kaudal, jeweils lateral der Harnblase, in den seitlichen Harnblasenbändern erkennbar werden, getastet werden. Die Palpation muss behutsam erfolgen, damit das die Hämatome umgebende Peritoneum nicht aufreißt. Wenn bei der Palpation zu stark gedrückt wird, kann ein 'Knirschen' beim Zerteilen des Blutkuchens bemerkbar sein. Die Untersuchung kann am stehenden oder liegenden Tier erfolgen. Aus dem Nabelstumpf sickert in vielen Fällen rotbraunes, jauchig übelriechendes Sekret. In diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass die periarteriellen Hämatome bakteriell infiziert sind.

Zur Absicherung der Diagnose kann die Echographie herangezogen werden.

 

Auf dem Ultraschallbild sind die Harnblase und unterhalb und etwas rechts das scharf abgetrennte periarterielle Hämatom erkennbar.

Zum Starten der zugehörigen Ultraschallvideosequenz, bitte auf einen der folgenden link klicken:

Videosequenz, 16 Sek., 4 MB, MP4

In der Videosequenz ist das periarterielle Hämatom an der rechten Seite der Harnblase erkennbar. Es ist durch das Peritoneum scharf von den angrenzenden Dünndärmen abgetrennt und beinhaltet von dünnen Septen unterteilte anechogene Einschlüsse (Serum).

Echographie: M. Metzner

Periarterielle Hämatome können ein beträchtliches Ausmaß erreichen. Da sie nur von einem dünnen Häutchen (Peritoneum) umgeben sind und ihr Inhalt häufig kontaminiert ist, muss die Exstirpation mit größter Vorsicht erfolgen.

Periarterielle Haematome Periarterielle Haematome  

Fotos: M. Metzner

3. OP-Vorbereitung

Verabreichung eines Antiinfektivums (Erreger sind in der Regel Gram-positiv: Trueperella pyogenes, Streptokokken, Staphylokokken, seltener Gram-negativ: Fusobacterium necrophorum), Antiphlogese, Nahrungskarenz für 12 Stunden, Kalb in Rückenlage fixieren, Schwanz fixieren, Vorbereitung des Operationsfeldes.

4. Anästhesie

Der chirurgische Eingriff dauert ca. 1 - 1,5 Stunden, in komplizierten Fällen auch länger. Als Anästhesie können Totale Intravenöse Anästhesie (TIVA), mit zusätzlicher rhombenförmiger Umspritzung des Nabels mit einem 2%igem Lokalanästhetikum, hohe Epiduralanästhesie oder Inhalationsanästhesie genutzt werden.

5. OP-Durchführung

5.1 Beschreibung der OP-Durchführung

Falls eine Fistelöffnung vorhanden ist, muss diese zunächst durch eine Tabaksbeutelnaht verschlossen werden. Anschließend erfasst eine Hilfsperson die Haut des äußeren Nabels mit einer Hakenzange und zieht diese nach oben. Der Hautschnitt verläuft spindelförmig um den Nabelbereich. Die Subkutis wird zum Rand hin von der Tunica flava abpräpariert. Nun kann seitlich vom Nabel die Tunica flava inzidiert werden. Anschließend sollte der intraabdominale Unterdruck durch kräftiges Ziehen an der Hakenzange nach oben aufgebaut werden. Dadurch wird das Risiko einer Verletzung anliegender Organe bei der nachfolgenden Eröffnen des Peritoneums reduziert. Das Peritoneum wird entweder vorsichtig mit dem Skalpell durchtrennt oder mit einer Moskitoklemme durchstoßen  (durch den Einstrom von Luft hebt die Bauchwand von den darunter liegenden Organen ab). Dann wird die Öffnung vorsichtig erweitert, bis der intraabdominale Nabelbereich mit einem Finger exploriert werden kann. Mit dem Finger kann die Nabelvene kranial von der Bauchwand abgelöst werden, und dann wird der Nabel weiter spindelförmig partiell umschnitten (ein vollständiges Umschneiden ist wegen der periarteriellen Hämatome und des Urachus, der mit der Bauchwand fest verbunden ist oft nicht möglich). Vor dem Durchtrennen der Nabelvene sollte diese ligiert werden (z.B.: geflochtener Polyglykolsäurefaden, metric 6).

Da der Urachus fest mit der Harnblase verbunden ist, muss der Urachus samt Harnblasenpol und den Nabelarterien zusammen exstirpiert werden. Deshalb muss die Bauchhöhle ggf. in der Medianen nach kaudal weiter eröffnet werden. Bei männlichen Tieren ist zuvor das Präputium von der Bauchwand abzupräparieren und seitlich zu klappen. Wenn es zu umfangreichen Verklebungen oder Verwachsungen in diesem Bereich gekommen ist, dann muss der betroffene Bereich der Bauchwand vollständig mit exstirpiert werden. CAVE! Periarterielle Hämatome sind nur durch ein sehr dünnes und labiles Häutchen (Peritoneum) umgeben, welches in keinem Fall verletzt werden darf, damit kein infizierter Inhalt in die Bauchhöhle laufen kann. Ist das Netz daran verklebt, muss dieser Teil des Netzes mit herausgenommen werden (das Netz dichtet so das die periarteriellen Hämatome umgebende dünne Häutchen ab).

Beide Nabelarterien sind jeweils durch das Lig. vesicae lateralis mit der Harnblase verbunden. Dieses muss vorsichtig von der Harnblase abpräpariert werden, damit die Arterien zusammen mit den sie umgebenden Hämatomen herausgenommen werden können. Je nach Ausdehnung der Hämatome in Richtung A. iliaca interna kann es notwendig sein, das gesamte Darmkonvolut aus der Bauchhöhle herauszulagern, damit man die Nabelarterien möglichst nah an der A. iliaca interna absetzen kann. Für die Ligatur sollte das Gefäß jeweils doppelt umschlungen und dann geknotet werden, damit sich zwischen den beiden Schlaufen ein Gewebewulst aufbaut, der das Risiko für ein Abrutschen der Ligatur verringert.

Danach wird die Harnblase am Pol mit Darmklemmen nach DOYEN gefasst und der Harnblasenpol zwischen den Klemmen durchtrennt. Der Verschluss der Harnblase erfolgt mit zwei einstülpenden Nähten nach CUSHING (z.B.: monofiler Glykonatfaden, metric 2).

Bauchhöhlenverschluss: Entweder Matratzennaht und anschließend Kürschnernaht oder nur eine Kürschnernaht mit resorbierbarem oder nicht-resorbierbarem Nahtmaterial (z.B.: geflochtener Polyglykolsäurefaden, metric 6 bzw. Supramid, metric 6). Subkutannaht: fortlaufend  (z.B.: geflochtener Polyglykolsäurefaden, metric 6), dabei ist darauf zu achten, dass das Präputium wieder an seine ursprüngliche Position kommt. Hautnaht: U-Hefte (Seide, metric 6) oder fortlaufende Naht nach REVERDIN (Nadelfadenkombination, z.B.: Dagrofil) und eventuell Hautfaltendecknaht.

5.2 Bilder zur OP-Durchführung

Die Eröffnung der Bauchhöhle und der spätere Verschluss der Bauchhöhle werden analog zum Vorgehen bei der  Urachusexstirpation / Nabelarterienexstirpation ausgeführt, deshalb nur dort dargestellt und hier nicht weiter behandelt.

 

Periarterielle Haematome

 

Das Bild zeigt den partiell umschnittenen Nabel, die Nabelvene wurde bereits durchtrennt und nach oben geklappt an der Nabelfasszange fixiert.

Gut sichtbar die etwas aus der Bauchhöhle hervorgezogenen dunkelrot-violett schimmernden periarteriellen Hämatome.

 

 

 

Periarterielle Haematome

 

Während der Urachus und die Nabelarterien in der Nähe des Nabelringes in einer Doppellamelle des Peritoneums relativ fest mit der Bauchwand verbunden sind, besteht weiter kaudal zwischen dem Komplex aus Urachus und Nabelarterien einerseits und der Bauchwand andererseits nur noch ein dünnes Ligament (Lig. umbilicale vesicae).

 

 

 

Periarterielle Haematome

 

Das Lig. umbilicale vesicae wird mit einer Schere eröffnet, anschließend kann die Bauchwand kaudal vollständig umschnitten werden.

 

 

 

 

Periarterielle Haematome

 

Das Bild zeigt den nun vollständig hervorgezogenen Komplex aus Urachus und Nabelarterien mit den periarteriellen Hämatomen.

 

 

 

 

 

Periarterielle Haematome

 

In manchen Fällen ist es notwendig, einen Teil der Därme aus der Bauchhöhle heraus zu verlagern, damit man in der Tiefe unter Sichtkontrolle pro Arterie zwei Doppeligaturen (z.B.: geflochtener Polyglykolsäurefaden, metric 6) anlegen kann.

Die Nabelarterien sind beidseits durch das Lig. vesicae lateralis mit der Harnblase verbunden. Mit einer Unterbindungsnadel nach DECHAMPS kann dieses vorsichtig durchstoßen und ein Faden zum Ligieren der Arterie herumgezogen werden.

 

 

 

Periarterielle Haematome

Dann werden die beiden Nabelarterien jeweils in der Nähe der A. iliaca doppelt ligiert und durchtrennt.

 

 

 

Periarterielle Haematome

 

Das Lig. vesicae lateralis wird von der Harnblase abpräpariert, ohne dabei das die Hämatome umgebende dünne Häutchen zu verletzen.

Die Arterien werden nach oben geklappt und mit ihren Ligaturfäden an der Nabelfasszange fixiert.

 

 

 

 

Periarterielle Haematome

 

Die Harnblase wird dann mit drei Darmklemmen (nach DOYEN) fixiert.

 

 

 

 

Periarterielle Haematome

 

Mittels Skalpell wird zwischen der urachusnah gelegenen und der nächsten Klemme der Harnblasenpol mit dem anschließenden Urachus abgesetzt.

 

 

 

 

Periarterielle Haematome

 

Nun kann die stumpfnahe Klemme entfernt und die Harnblase doppelt einstülpend mit einer Naht nach CUSHING verschlossen werden (z.B.:monofiler Glykonatfaden, metric 2).

Da die Harnblase nach dem Entfernen der ersten Klemme sofort beginnt, sich zu kontrahieren, ist hier Eile geboten. Es ist ratsam, nach dem Entfernen der Klemme diese wieder unterhalb der verbliebenen Klemme einzusetzen.

 

 

 

 

Periarterielle Haematome

 

Fertige Naht des Harnblasenpols.

 

Fotos: M. Metzner

Der Bauchhöhlenverschluss wird wie im Kapitel Urachusexstirpation beschrieben ausgeführt.

6. Prognose:

Bei nicht infizierten periarteriellen Hämatomen sind die Heilungsaussichten gut. Bei infizierten periarteriellen Hämatomen hängt die Prognose wesentlich davon ab, ob es gelingt die Hämatome zu exstirpieren, ohne das sie umgebende Peritoneum zu verletzen.

7. Nachsorge

Verabreichung eines Antiinfektivums für mindestens 5 Tage, Fortführung der Antiphlogese nach Bedarf.

Bei komplikationsloser Wundheilung können die Fäden 10 Tage nach dem Eingriff entfernt werden.

8. Komplikationen

Wundinfektion, Nahtdehiszenz, Peritonitis

Die Heilungsaussichten sind insgesamt sehr gut.